Die Liebe in Grenzen
müssen, weil sonst etwas durcheinandergerät, weil die guten Bürger in ihrer Vorgartengemütlichkeit gestört ⦠«
Mein Gegenüber hob beschwichtigend die Hand, aber ich war noch nicht fertig: » Warum sollte ich nicht lieber mit Menschen arbeiten wollen, die Sie despektierlich Spinner oder Irre nennen, als mit überbehüteten Kleinkindern? Ich kann wahrscheinlich mehr von Ihren Leuten lernen als die von mir. Andersartigkeit ist kein Verbrechen, Herr ⦠wie auch immer Sie heiÃen! «
Der Anzugträger saà einen Moment lang regungslos in seinem Schreibtischstuhl. Dann sagte er, diesmal ohne die Spur eines überheblichen Untertons: » Das ist aber eine überaus idealistische Ansicht, die Sie da vertreten, Frau Werner, reichlich naiv noch dazu, möchte ich meinen. «
Ich schluckte, all mein Zorn verpuffte zu einer lächerlichen kleinen Wolke. Er hatte recht, und den Job konnte ich mir auch in den Wind schreiben, denn es war unvorstellbar, dass dieser Mann meiner Mitarbeit zustimmen würde. Vielmehr würde er am Abend zu Hause auf einem antiken Ledersofa Platz nehmen und seiner sicherlich attraktiven Frau bei einem gepflegten Glas Cabernet Sauvignon erzählen: » Heute hatte ich wirklich einen verrückten Vogel auf dem Bewerberstuhl sitzen ⦠«
Mir blieb nur noch, einen finalen Satz zu finden, mit dem ich mich halbwegs aufrecht verabschieden konnte. Keineswegs wollte ich mich von diesem arroganten Schnösel zu weiteren Peinlichkeiten provozieren lassen.
» Das warâs dann wohl ⦠«
Etwas Besseres war mir nicht eingefallen. Ich stand auf, trat den Rückzug an. Just in diesem Augenblick wurde die Tür ein weiteres Mal aufgerissen, diesmal ohne vorheriges Klopfen, und eine drahtige Mittvierzigerin stürmte herein. Sie schoss, ohne mich zu beachten, an mir vorbei, pfefferte eine grüne Pappmappe auf den Schreibtisch und schnauzte: » Konrad, was soll der Schei�! «
Ich blieb mit offenem Mund im Zimmer stehen. Der mit Konrad Angesprochene lehnte sich fein lächelnd zurück wie ein Staatsanwalt, der zufrieden den Gang einer Verhandlung verfolgte, verschränkte die langgliedrigen Hände und lieà seine Fingerknöchel knacken.
Die temperamentvolle Frau verdrehte die Augen und wedelte mit dem Handrücken, als wollte sie eine lästige Fliege vertreiben: » Steh gefälligst auf! « Dann wandte sie sich mir zu und sagte mit einer schlagartig ins Freundliche gewendeten Stimme: » Da hat er Sie ganz schön drangekriegt. «
» Wie bitte? «
» Sie sind Katia Werner, nicht wahr? «
Jetzt, wo sie meinen Namen nannte, erkannte ich ihre Stimme wieder: Das war Carmen. Vom Telefon her hatte ich sie mir jünger vorgestellt. Sie trug einen hellgelben, schlaff herunterhängenden Männerpullover, und es war offensichtlich, dass sie in dieses Büro mitsamt der schmuddeligen Strickjacke auf dem Sessel vor dem Schreibtisch gehörte und weder Putzfrau noch Patientin war.
Wer aber war der Mann hinter dem Schreibtisch? Ich schaute von ihr zu ihm, dann wieder zu ihr und murmelte: » Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder? «
Carmen und Konrad fingen gleichzeitig zu lachen an. Offensichtlich auf meine Kosten. Ich dachte nur noch an Flucht, schob meine Unterlagen in den Rucksack und warf ihn über die Schulter, als eine Hand sich auf meinen Arm legte.
Carmen sagte: » Nu mal langsam. Solche Scherze erlaubt sich Konrad gelegentlich. «
» Das Gleiche hat er vorhin auch zu mir gesagt, aber dabei hat er von Ihnen gesprochen « , schnaubte ich. » Wer ist denn hier verantwortlich und wer ist etwas anderes? «
Carmen prustete los: » Konrad! Konrad ist auf jeden Fall etwas ganz anderes! «
Ich sah wieder von einem zum anderen, und Konrad sagte: » Ich bin der Irre. «
Dann erhob er sich von dem Stuhl, knöpfte sein Jackett zu und schlenderte zur Tür. Ich hätte ihm gern ein Wort hinterhergeworfen, das ihm das Grinsen aus dem Gesicht nehmen würde, aber er kam mir zuvor: » Du solltest sie einstellen, Carmen. Ernsthaft! «
Mein Protest blieb mir im Hals stecken.
Die Tür klickte hinter ihm ins Schloss. Carmen schaute mehrere Sekunden konsterniert auf die geschlossene Bürotür.
» Sieh mal einer an « , murmelte sie schlieÃlich.
Ich lieà mich erneut in den Sessel sinken, diesmal, ohne Rücksicht auf Zeitschriften und Jacke zu nehmen, und
Weitere Kostenlose Bücher