Die Liebe in Grenzen
einen Apfel, mehr schaffte ich nicht.
» Komm schon « , sagte Martin, der neben mich getreten war und anfing, seinen Teller üppig zu beladen, » das kann doch nicht alles sein. Kein Wunder, dass du so anorektisch aussiehst. «
Jedem anderen hätte ich diese Bemerkung übel genommen, aber er brachte sie mit so viel Wärme hervor, dass es mir seltsamerweise fast schon guttat.
» Zu Mittag hatte ich eine Ãberdosis Nudeln mit TomatensoÃe « , log ich, um ihn von seiner Magersucht-Fährte abzubringen, und begab mich zu dem freien Platz neben Carmen.
Als hätte ich damit das Kommando gegeben, fingen die, die bereits einen gefüllten Teller vor sich hatten, mit dem Essen an. Andere standen auf, um sich zu bedienen, allgemeines Gerede und Stühlescharren setzte ein, um mich kümmerte sich niemand mehr. Ich aà mein Käsebrot, biss danach in den Apfel und überlegte, ob von mir erwartet wurde, herumzugehen und die Leute aktiv kennenzulernen. Bitte nicht, dachte ich und blickte zu Carmen herüber, die von ihrem Wurstbrot vollkommen absorbiert war und keinerlei Signal in meine Richtung sandte.
Als plötzlich die Tür mit einem kräftigen Stoà aufging, wurde es wie auf Knopfdruck still, alle starrten in die gleiche Richtung. Konrad blieb eine Sekunde lang auf der Schwelle stehen, dann ging er sehr aufrecht durch den Raum, sagte nichts, sah niemanden an, trat an das Büfett, nahm sich Salat aus einer groÃen Plastikschüssel, legte zwei Scheiben Brot dazu und verlieà genauso gruÃlos den Speisesaal, wie er eingetreten war. Meine Hand hing noch halb in der Luft, als er die Tür hinter sich zuzog, und ich fragte mich, warum er kein Zeichen des Wiedererkennens von sich gegeben hatte. Seine Aufforderung, mich einzustellen, war ja vermutlich der Grund, warum ich auch nach drei Stunden immer noch hier war.
» Der ist sich heute wohl zu fein, um Guten Abend zu sagen « , platzte die etwas schrille Stimme einer jungen Frau, der ein dicker blonder Zopf über die breiten Schultern fiel, in das Schweigen.
Kurz darauf aÃen die anderen weiter oder führten ihre Gespräche fort. Ich bemerkte, dass ich während Konrads Auftritt die ganze Zeit die Luft angehalten hatte.
» Stimmt er etwa nicht mit ab? « , fragte Suse, das dünne, wilde Mädchen neben Mischa, und zeigte auf die geschlossene Tür.
» Hat er schon « , sagte Carmen, ohne von ihrem Essen aufzusehen.
» Und? «
Carmen zuckte mit den Schultern. » Er will sie unbedingt. «
Ich versuchte, unbeteiligt auszusehen, und umklammerte den angebissenen Apfel mit beiden Händen. Dass mich jemand » unbedingt « haben wollte, war nichts, was ich zu hören gewohnt war.
» Da kann sie sich ja was von kaufen « , hörte ich weiter hinten jemanden sagen. Augenblicklich war ich ernüchtert.
Martin, der sich mit einem freundlichen » Darf ich? « auf den Platz neben mir gesetzt und einen gefüllten Teebecher vor meinem Teller abgestellt hatte, ergriff jetzt das Wort mit überraschender Festigkeit: » So, ihr Lieben, lasst uns mal nicht so tun, als bräuchten wir nicht dringend jemanden, der bereit ist, sich von uns schikanieren zu lassen. Wir sollten Katia dankbar sein, dass sie sich bei uns engagieren will. Wenn Konrad auch dieser Meinung ist, umso besser. «
Bei diesen Worten verschluckte ich mich an einem Stück Apfelschale. Carmen klopfte mir fest auf den Rücken, lieà dann ihre Hand zwischen meinen Schulterblättern liegen und fragte: » Alles in Ordnung? «
Martin wartete mein Nicken ab, dann fuhr er fort: » Also, Katia, wir sind froh, dass du bei uns mitarbeiten möchtest. Von mir aus bist du herzlich willkommen. «
» Stimmen wir diesmal denn gar nicht ab? « , fragte die junge Frau mit dem blonden Zopf, die sich über Konrad beschwert hatte.
» Wer ist dagegen? « Carmens Stimme hatte einen leicht ungehaltenen Unterton. Niemand hob die Hand. » Dann wäre das ja geklärt. «
» Und was ist mit Hajo? « Martin wandte sich an seine Frau.
» Weià jemand, ob Professor Albrecht heute Abend im Haus ist? « Carmen blickte in die Runde. Keiner fühlte sich angesprochen. » Dann erlischt hiermit sein Stimmrecht. «
» Und Lena? «
» Hat frei. Und Theos Dienst ist schon vorbei. Da ich auch für Katia bin, können wir uns die Teamsitzung im Anschluss ersparen. «
» Ihr macht
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