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Die Liebe in Grenzen

Die Liebe in Grenzen

Titel: Die Liebe in Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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auf der kleinen Zeichnung an. Ich wusste nicht, wie ich diese Informationen einordnen sollte. Dieser speziellste aller hiesigen Spezialfälle, gekleidet in feines Tuch, war ohne Zweifel mehr als ein Hobbyzeichner. Kaum konnte ich meine Augen von dem Bild lösen, und keine Sekunde lang glaubte ich, es sei aus einer rein provokanten Absicht entstanden. Dafür war es zu gut, traf den Betrachter zu tief. Aber was war das für ein Mensch, der mit derart umwerfender Präzision tödliche Enge, nackte Angst und pure Atemnot auf ein kleines Stück Papier bannen konnte und dann dieses Abbild eines Alptraums, Ausdruck eines absolut wehrlosen Seelenzustands, einfach in einen öffentlich zugänglichen Raum hing? Hätte ich so etwas auf Papier bringen können, ich hätte es in einen Safe gepackt, weit hinten, damit es nie jemand zu Gesicht bekommt.
    Carmen marschierte bereits Richtung Ausgang und erzählte etwas über Belegpläne für Therapieräume. Rasch musste ich ihr folgen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Besagte Therapieräume führte sie mir umgehend vor, während ich versuchte, mich wieder auf die Situation zu konzentrieren. Auf jeden Fall, das spürte ich, sollte ich sie ohne weitere Fragen nach Konrad hinter mich bringen.
    Es gab zwei kleine Zimmer mit gemütlichen Sitzecken und Aussicht auf den Wald, die, wie Carmen mir erklärte, für Gespräche oder für Übungen genutzt werden konnten. Unter bewusster Vermeidung des Wortes » Krankheit « wollte ich daraufhin von ihr wissen, mit welchen Problemen die Menschen hier eingeliefert wurden.
    Â» Hier wird niemand eingeliefert « , bemerkte Carmen streng. » Jeder ist freiwillig und auf eigenen Wunsch da! Wir haben eine lange Warteliste. «
    Â» Entschuldige, ich werde es schon kapieren. «
    Carmen legte mir die Hand auf die Schulter: » Macht nichts, du fängst ja erst an. «
    Â» Tue ich das? «
    Â» Ist nicht allein meine Entscheidung. «
    Â» Verstehe. «
    Â» Eines musst du wissen – hier zu arbeiten ist nichts für Leute mit schwachen Nerven, und wir haben auch weder Kraft noch Zeit für Sentimentalitäten oder andere Empfindlichkeiten seitens der Betreuer. «
    Ich nickte und dachte, dass ich weniger von mir hätte erzählen sollen. Laut sagte ich: » Trotz der Sache mit meiner Mutter bin ich nicht labil, weich oder gefühlig, falls du das meinst. Ich hatte einen Vater, der nicht zugelassen hat, dass ich mit einem sogenannten Mutterloch aufwachse. Ich kann was aushalten. «
    Â» Es muss nicht von Nachteil sein « , erklärte Carmen ernst, » wenn du erfahren hast, was Angst, Verlassenwerden und seelisches Elend sind, gerade im Umgang mit unseren Leuten. Vielleicht war es das, was Konrad hinter deiner Fassade gesehen hat. «
    Ich schluckte, hätte mich gern gegen das Wort » Fassade « gewehrt, konnte aber auf die Schnelle keine Formulierung finden, die ausgedrückt hätte, was ich sagen wollte.
    Â» Dir muss nur klar sein, dass wir hier nicht selten mit Rückschlägen umgehen müssen, auch mit sehr harten « , sagte Carmen, ohne weiter darauf einzugehen, was Konrad in mir gesehen haben mochte. » Aber ab und zu geht mal einer aufrecht und leidlich überlebensfähig hier raus, dafür lohnt es sich, alles andere auszuhalten. «
    Ich hatte immer noch diesen Kloß im Hals. Aus einem der beiden Therapiezimmer schaute ich aus dem Fenster, sah das frische helle Grün, das die Bäume seit wenigen Tagen überzog, und fragte mich, ob ich wohl noch hier sein würde, wenn das Laub wieder fiel.
    Â» Wollen wir weiter? «
    Â» Ja « , erwiderte ich knapp.
    Resolut führte Carmen mich hinauf in den Oberstock.
    Das schwere, mit Holzschnitzereien verzierte Treppengeländer wurde von mir bewundert, und Carmen erklärte, es stamme noch aus den Zeiten, als das Haus eine Försterei gewesen sei, daher die Motive, also die Vögel und das Eichenlaub. Von Angelika hatte ich erfahren, dass der Name » Goldbachmühle « von der alten Mühle herrührte, die früher etwas weiter unten am Goldbach gestanden hatte. Nach ihrer Stilllegung hatte der Wald sie verschluckt, und heute soll davon nur noch eine zugewucherte Ruine übrig geblieben sein, die ich bislang allerdings vergeblich auf meinen Spaziergängen gesucht hatte.
    Â» Das Gebäude war übrigens früher Martins und Hajos Elternhaus, aber das

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