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Die Liebe ist eine Insel

Die Liebe ist eine Insel

Titel: Die Liebe ist eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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sprechen über die Stadt und das Fest, sie sprechen über die Streiks und über Musik.
    Abends wird die Straße zur Bühne. Mädchen tanzen auf dem Bürgersteig, ihre Schultern sind nackt, sie tragen luftige Kleider, weiche Stoffe, leicht auszuziehen.
    Yann möchte die Liebe finden. Chatt’ sagt, das sei eine Illusion, die Liebe habe nichts Poetisches, aus wissenschaftlicher Sicht sei sie nichts anderes als ein Ausstoß von Hormonen, dessen einziger Zweck die Erhaltung der Art sei.
    »Es gibt keine größere Entfremdung und Energieverschwendung.«
    Alle am Tisch müssen lächeln.
    Julie holt ihr Handy heraus und schickt ihrem Vater eine SMS . Sind im Bilbo, komm doch, es ist nett.
    Es ist sein Pokerabend, aber manchmal hört er früh auf.
    Dann blickt sie zum Ende der Straße. Damien beobachtet sie. Ihre Blicke begegnen sich für einen Augenblick. Seit sechs Monaten lebt sie mit ihm zusammen, versucht etwas mit ihm, ohne dass es ihr wirklich gelingt.
    Haschgeruch liegt in der Luft.
    Greg streckt die Hand aus.
    »Habt ihr gesehen …«
    Sie drehen die Köpfe. Am Ende der Straße steht Marie, verloren in der bunten Menge. Sie folgen ihr mit den Augen.
    »Woran ist ihr Bruder gestorben?«, fragt Greg.
    »Keine Ahnung, ist mir auch egal«, sagt Yann.
    »Ein Unfall auf einer Baustelle, ich glaube, er war Kranführer«, sagt Julie.
    Greg findet sie ziemlich hübsch.
    Yann sagt, sie sehe aus wie ein Gespenst.

D ie Jogar kommt auf den Platz. Sie sieht Jeff, geht auf ihn zu und begrüßt ihn.
    Er antwortet nicht.
    Sie streckt die Hand aus. Er nimmt sie nicht. Murmelt ein paar Worte. Wendet den Kopf ab, um einem Eisverkäufer mit dem Blick zu folgen. Der Mann schiebt einen Wagen, über dem ein Sonnenschirm hin und her schaukelt.
    »Auf ein andermal«, sagt die Jogar.
    Sie geht in die Kirche.
    Der Beichtstuhl. Eine alte Dame kommt heraus. Pater Jean sitzt noch drin.
    Die Jogar zieht den Vorhang zur Seite und schlüpft hinein. Drinnen riecht es nach Veilchen, dem ganzen Muff der Beichten.
    Von ihr sind nur noch der Saum ihres Kleids und die nackten Füße in Espadrilles zu sehen. Das Goldkettchen um den Knöchel.
    »Pater, ich habe gesündigt«, sagt sie.
    »Diese Stadt lehnt mich ab.«
    Sie spricht weiter mit dieser so besonderen Stimme.
    Noch ein paar Worte, und der Pfarrer hat sie erkannt. Sie treten aus dem Beichtstuhl und umarmen sich. Die alte Frau am Ende des Kirchenschiffs bleibt stehen und dreht sich um.
    »Ich wusste, dass du da bist, ich habe die Plakate gesehen, dein Gesicht ist überall!«
    Er nimmt ihre Hände.
    »Du bist noch schöner als früher.«
    Seine Stimme hallt unter dem Gewölbe.
    Sie lacht.
    » Non semper erit aestas .« 3
    Es war ein Spiel zwischen ihnen, Gespräche auf Latein. Für ihren Vater war diese Sprache ebenso lebenswichtig wie essen und trinken. Ein Lehrer kam einmal pro Woche nach Hause, abends lernte sie die Deklinationen.
    »Du vermietest die Kapelle?«, fragt sie und deutet auf das Plakat an der Tür.
    » Tempora mutantur, nos et … mutamur in illis. « 4
    Er geht mit ihr zum Fresko, ein gemalter Tisch, Jesus und die Jünger. Davor ein Gerüst mit Farbtöpfen, Pinseln, ein paar Lappen. Oben, auf dem letzten Brett, eine junge Frau im Kittel.
    Er spricht von den Gemälden, die restauriert werden müssen, von den fehlenden Dachziegeln.
    »Die Kirche braucht Geld.«
    »Spielst du nicht mehr Poker?«
    »Doch, aber ich verliere mehr, als ich gewinne.«
    Die Jogar legt ihren Kopf an seine Schulter; sie atmet den Naphthalingeruch ein.
    Er nimmt sie mit in die Sakristei und bekreuzigt sich vor Jesus.
    Auf dem Tisch steht eine rautenförmige weiße Schachtel. Darin Marzipanschnittchen in drei Lagen, jeweils neun. Sie nimmt eins. Die Oberfläche ist glatt, darunter klebt eine Oblate. Sofort hat sie wieder den bittersüßen Mandelgeschmack auf der Zunge.
    Er setzt sich.
    »Ich will alles wissen über die letzten fünf Jahre. Was hast du gemacht? Wem bist du begegnet?«
    Sie denkt nach.
    Wie soll man fünf Lebensjahre zusammenfassen?
    Sie hat Texte gelernt, sie gespielt, und das Publikum hat mehr verlangt, also hat sie weitere Texte gelernt und sie ebenfalls gespielt, ein Text war schöner als der andere, und so sind die Tage vergangen … Sie hat Flugzeuge genommen, ein paar Reisen gemacht, fünfzehn Stunden am Tag gearbeitet. Sie hat Liebhaber, aber keine Liebesbeziehungen, und eine kleine Wohnung in Paris.
    Das alles erzählt sie wirr durcheinander und ohne Details, während sie die

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