Die Liebe ist eine Insel
Lautsprechern.
Er setzt den Arm auf die Rille, die Stimme ist rau, Klänge voller Schmerz, Maria Bethânia, Soledad .
Eine Stimme wie eine zweite Haut.
Der Gesang des sublimierten Leids. Die Liebe und ihre Risse.
Sie hörten es oft gemeinsam.
An der Tür, mit einer Heftzwecke befestigt, ein Foto von Mathilde. Auf dem Bett sitzend, im roten Licht der Kerzen, die Schönheit einer Bettlerin. Alle anderen hat er abgenommen. Dieses nicht, er konnte es nicht.
Er lässt sich in einen Sessel fallen. Mit den Jahren hat die Lehne die Form seines Körpers angenommen, ein breiter Abdruck im abgewetzten Samt und Brandspuren von Zigaretten auf der Armlehne.
Sie haben zusammen getrunken, Mathilde und er, hier, in der letzten gemeinsamen Nacht, getrunken, um sich verlassen zu können.
Er, ganz allein, in den folgenden Nächten. Er deckte die Bullaugen mit Pappe ab. Sie hatte ihre Kostüme mitgenommen, ihr Lachen, ihr Licht. Sie hatte alle Spuren ihres Körpers auf dem Kahn gelöscht. Er wollte seine Liebe mit Alkohol betäuben, einen ordentlichen Kater bekommen. Er dachte, der Alkohol würde genügen und danach könnte er leben.
Er konnte es nicht.
Nachts suchte er sie. Sein Körper wurde verrückt. Er ballte die Fäuste, schlug sie gegen seinen Bauch. Er liebkoste sich, um sich an ihre Liebkosungen zu erinnern, verschaffte sich Orgasmen, es war Schmerz, er dachte, er würde daran krepieren.
Er starb nicht. Er wurde zu einem Schatten.
Einem amputierten Menschen.
Einem Witwer.
Eines Tages klingelte das Telefon, es war sie. Sie sagte, ich möchte, dass du Anamorphose veröffentlichst.
E s ist Mittag auf der Place des Corps-Saints, die Sonne brennt senkrecht vom Himmel. Die Tische stehen im Schatten der Platanen. Die Jogar isst mit Phil Nans, dem Direktor des Minotaure, und drei anderen Schauspielern zu Mittag.
Touristen schleppen sich dahin, kraftlos, in einer Luft, die immer noch unerträglich heiß ist.
Schauspieler, die schwere Mäntel, Handschuhe und Mützen tragen, kommen aus einer Tür und rufen nach dem Regen, dem Schnee, bitten, dass endlich etwas Kaltes vom Himmel fallen möge. Sie ziehen Tüten voller Konfetti aus ihren Taschen und werfen es in die Luft.
Auf dem Wasser des Springbrunnens schwimmt Konfetti. Dazwischen ein paar Flyer und Plastiktüten. Spaziergänger erkennen die Jogar und machen Fotos von ihr. Sie lässt sie gewähren. Ein Autogramm, ein paar Worte? Was soll sie schreiben? Herzliche Grüße? Das kann sie nicht. Sie schreibt: Danke. Danke, dass Sie da sind.
Die Schaulustigen bleiben. Weichen nicht von der Stelle. Was suchen sie in ihr? Erschaffen sie ihre Träume aus dem, was sie ihnen gibt? Die Männer begehren sie.
»Wenn ich draußen bin, gehöre ich ihnen.«
Phil Nans beugt sich vor, flüstert ihr ins Ohr. »Vielleicht denken sie, wir sind ein Liebespaar …«
Sie bleibt ernst.
»Das sind wir doch auch, schließlich spielen wir eins!«
Sie blickt ihn an. Er ist schön, der Mund sinnlich. Sie sollte eine Nacht mit ihm verbringen, ihn einen Abend lang lieben, einfach so. Sie hat es niemals gekonnt.
»Und darüber hinaus?«
»Darüber hinaus?«
»Was sind wir, wenn wir nicht spielen?«
Sie kratzt mit der Fingerspitze den Schatten auf der Tischdecke. Ihre Nägel sind rosafarben lackiert. Ein Lappen im Wind, dieses Bild fällt ihr ein, um auszudrücken, was sie ist, wenn sie nicht spielt.
»Wenn ich nicht spiele, bin ich nichts.«
Sie wendet den Kopf ab, betrachtet die fetten Nacken, die zerknitterten Hemden, einen Jungen, der beim Springbrunnen weint.
Festivalbesucher warten ungeduldig vor dem Théâtre des Corps-Saints. Ein Schauspieler, der wie ein Stallbursche gekleidet ist, tritt aus einer Tür, prallt mit der Hitze zusammen. Eine Welle der Wut rollt durch die Menge.
Die Hitze drückt die Körper auf die Bürgersteige, macht die Blicke leer. Ein Mann mit Schwabbelbauch läuft umher, das T-Shirt bis unter die Achseln hochgezogen.
Die Jogar wendet sich ab.
Sie steht auf, entschuldigt sich.
»Ich gehe ins Hotel zurück.«
Eine kümmerliche Prozession überquert den Platz. Streikende mit Bändern über den Mündern. Zwischen ihren verschlossenen Lippen dringt düsterer Gesang hervor.
J eff hat einen Fisch in einem Glas gefunden, darauf ein Aufkleber: »Er heißt Nicky.«
Ausgesetzt auf den Stufen des Theaters.
Das Gefäß ist aus Milchglas.
»Er will nicht schwimmen«, sagt Jeff.
»Alle Fische schwimmen«, wirft Marie ein.
Dieser treibt an der Oberfläche.
Jeff
Weitere Kostenlose Bücher