Die Liebe kommt auf leisen Pfoten
schicken. „Ich arbeite die Mittagspause leider durch. Muss nachmittags früher gehen. Nachlassgericht.“
„Soll ich mitkommen?“, kam prompt die Antwort.
„Hast Du denn Zeit?“ Tanja konnte es kaum glauben.
„Ich muss am Dienstag erst zur Nachtschicht wieder ran.“
„Na dann, sehr gerne. Kurz vor 15 Uhr vorm Rathaus?“
„Ich werde da sein. Bis übermorgen. Ich freu mich.“
„Ich freu mich auch.“ Tanja drückte ihr Handy an die Brust. Das hatte sie in ihrer eher miserablen Wochenbilanz noch nicht berücksichtigt. Sie hatte Anette kennen gelernt. Und das war mehr als positiv.
Wie erwartet hatte ihr Chef nichts dagegen, dass sie am Dienstag früher ging. Mit etwas Herzklopfen parkte sie ihren Wagen in der Nähe des Rathauses und ging die letzten Meter zu Fuß. Anette wartete schon vor dem Eingang. Zur Begrüßung umarmten sich beide ein wenig unbeholfen. „Ich glaube, Deine Tante ist schon da“, sagte Anette, während sie die Treppen zum Zimmer des Notars hoch stiegen.
„Ich entschuldige mich jetzt schon für alles, was sie wieder an Unverschämtheiten von sich gibt.“ Tanja rechnete schon mit dem Schlimmsten.
„Kein Problem, ich kann mich zur Wehr setzen, wenn es sein muss.“
Tanjas Tante war tatsächlich schon da. Mit einem missbilligenden Blick quittierte sie die Anwesenheit der Ärztin, sagte aber nichts. Der Notar begann mit den Formalitäten und es gab auch keine Überraschungen. Da ihr Opa, so wie er es im Krankenhaus schon selbst gesagt hatte, nichts zu vererben hatte, ging es nur darum, wie es mit der Wohnung weiterging und dass das Geld, was nach Abzug aller Beerdigungskosten noch übrig war, zwischen Tanja und ihrer Tante aufgeteilt wurde. Tanjas Tante war nicht arm, das wusste Tanja. Sie hatte immer schon an ihrer Karriere gearbeitet und da sie keine Kinder hatte, konnte sie sich voll darauf konzentrieren. Dennoch wusste Tanja, dass ihre Tante es wieder einmal als persönliche Niederlage werten würde, dass sie das wenige Erbe auch noch teilen musste.
Tanja hatte vorgeschlagen, sich um die Wohnungsauflösung zu kümmern, aber ihre Tante wollte das, zu ihrer Überraschung, selbst in die Hand nehmen. Der Termin war schnell vorüber und Tanja konnte es kaum erwarten, wieder raus an die frische Luft zu kommen.
„Gott sei Dank ist jetzt alles vorbei.“ Sie atmete tief ein, als sie endlich wieder vor der Tür waren. „Vielleicht gehe ich noch einmal in Opas Wohnung, bevor sie ganz leer geräumt ist.“
„Das könnte Dir so passen“, keifte Tante Sigi, die plötzlich neben ihnen stand. „Ich weiß doch, was Du vor hattest. Die Wohnung in aller Ruhe nach Wertsachen durchsuchen und die dann hinter meinem Rücken verkaufen. Aber das kannst Du Dir abschminken.“
„Was denn für Wertsachen“, lachte Tanja, „Du weißt doch genau wie ich, dass er nichts Wertvolles hatte.“
„Und genau das ist es, was mich stutzig macht. Er MUSS irgendwo sein Geld hin gesteckt haben und warte nur, wenn ich dahinter komme, dass Du es bekommen hast.“
„Verdammt noch mal, wie oft soll ich es noch sagen.“ Tanja wurde langsam sauer. „Ich habe kein Geld bekommen. Es gab kein Geld und wenn, dann hat er es auch vor mir versteckt. Schau doch in seiner Matratze nach.“
„Das werde ich, das kannst Du mir glauben. Und wenn ich es erst gefunden habe, wirst Du keinen Cent davon bekommen. Und jetzt gib mir den Ersatzschlüssel zur Wohnung!“
„Nein. Warum?“
„Damit ich mir sicher sein kann, dass Du das Geld nicht doch noch holst.“
„Sie sind doch paranoid“, mischte sich nun Anette an.
„Halten Sie sich da raus. Das ist eine Familiensache.“ Die Tante sah Anette böse an.
„Sehr familiär gehen Sie aber nicht mit ihrer Nicht um“, stellte Anette fest.
„Das geht Sie gar nichts an. Und überhaupt, was machen Sie hier? Sie haben hier nichts zu suchen. Oder sind Sie plötzlich die neue Freundin von meiner Nichte?“, fragte sie spöttisch.
„Das geht Sie wiederum nichts an“, antwortete Anette ruhig, „aber wenn Sie es so genau wissen wollen, ja, ich liebe ihre Nichte, deshalb werde ich auch jedes Mal mit in die Wohnung ihres Opas gehen, wann immer sie dort hin will, um etwas zu holen. Also fahren Sie jetzt am besten gleich in die Wohnung Ihres Vaters, um alles noch gründlicher als beim letzten Mal zu durchwühlen. Denken Sie daran, hinter jedem Bild könnte ein Safe versteckt sein und unter manchen Teppichböden gibt es geheime Verstecke unter den Dielen.“ Anette
Weitere Kostenlose Bücher