Die Liebe kommt auf leisen Pfoten
Hammer“, musste sie zugeben, „aber ich muss jetzt wirklich los. Wir sehen uns heute Abend“, sagte sie noch schnell, dann eilte sie in Richtung Parkplatz.
Tanja bekam noch ein letztes Mal vom Pfarrer die Hand geschüttelt, dann verließ auch sie den Friedhof. Nach dem Auftritt ihrer Tante beschloss sie, nun doch direkt in die Wohnung ihres Opas zu fahren, um sich die Sachen zu holen, die sie als Erinnerung behalten wollte. Vor dem Haus vergewissert sie sich zuerst, ob nicht das Auto ihrer Tante irgendwo parkte. Sie hatte keine Lust, gleich wieder auf sie zu treffen und die Diskussion noch einmal fortzusetzen. Aber wie es aussah, hatte die Tante nach der Beerdigung ein anderes Ziel und Tanja konnte sich in Ruhe in der Wohnung umsehen. Sie nahm schließlich ein paar Fotos und ein paar kleinere Erinnerungsstücke an sich.
Als sie wieder in ihrem Auto saß, überlegte sie, was sie nun bis zum Abend machen sollte. Ins Geschäft wollte sie nicht mehr zurück. Es reichte, wenn sie morgen erfuhr, wie es mit Vater und Sohn weiterging. Sie entschied sich, etwas zu Essen für den Abend einzukaufen. Anette hatte sicherlich Hunger, wenn sie vom Arbeiten kam. Vorausgesetzt sie würde überhaupt kommen. Nach dem Auftritt ihrer Tante auf dem Friedhof war sie sich da nicht mehr so ganz sicher. Sie hätte es jedenfalls nachvollziehen könnten, wenn die Ärztin sich ab jetzt aus dieser verrückten Familie heraus halten wollte.
Doch ihre Sorgen waren unbegründet. Anette stand kurz vor halb acht vor der Tür und freute sich auch sehr über das Essen. „Ich habe wirklich einen Bärenhunger“, strahlte sie, als Tanja sie zu Tisch bat.
„Ich dachte mir, mit Spaghetti Bolognese kann ich nichts falsch machen“, sagte Tanja, als sie Nudeln und Soße servierte, „außer Du bist Vegetarier?“
„Nein, bin ich nicht. Es riecht übrigens sehr lecker.“
„Danke.“
Eine Weile aßen sie schweigend ihre Spaghetti, dann sagte Tanja: „Es ist schön, dass Du hier bist. Ich hatte schon befürchtet, Du kommst nicht.“
„Wieso das denn?“, fragte Anette erstaunt.
„Wegen dem, was meine Tante heute gesagt hat.“
„Keine Angst, ich lasse mich nicht so schnell beleidigen.“
„Ich meinte auch eher, was sie über mich gesagt hat.“
„Was genau meinst Du? Dass Du angeblich das Geld von Deinem Opa auf die Seite geschafft hast?“
„Nein, dass ich auf Frauen stehe.“ Jetzt war es raus. Tanja hatte es Überwindung gekostet, so direkt gegenüber der Ärztin zu sein.
„Und wieso sollte ich deshalb nicht mehr kommen?“
„Ich weiß es nicht. Es hätte ja sein können, dass Du das abstoßend findest oder so.“ Tanja wurde jetzt etwas verlegen. Anette war es anscheinend völlig egal, ob dass sie lesbisch war. Sie kam sich jetzt ein bisschen albern vor, dass sie sich zuvor so einen Kopf gemacht hatte.
„Ich hatte wirklich ein bisschen Angst, dass Du den Kontakt zu mir abbrechen könntest“, erklärte sie weiter „und das hätte ich sehr schade gefunden.“
„Ich kann Dich beruhigen. Es ist völlig in Ordnung für mich“, lächelte Anette. „Außerdem habe ich das sowieso schon gewusst. Deine Tante hat Dich nicht erst outen müssen.“
„Du hast es schon gewusst?“ Tanja war baff. „Hat es mein Opa etwa brühwarm erzählt?”
„Sagen wir mal so, die Andeutungen von Deinem Opa waren das eine. Aber ich habe auch Augen im Kopf und untereinander sieht man es eben manchmal einfach.“
Jetzt war Tanja gänzlich durcheinander. „Untereinander?“, fragte sie ungläubig. „Du meinst...?“
„Ja, natürlich“, musste Anette grinsen, „ich stehe auch auf Frauen. Aber ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass Dir das ebenfalls klar war.“
„Nein, war es nicht. Ich habe es vielleicht ein bisschen gehofft, aber nie wirklich geglaubt.“
„Du hast es gehofft? Jetzt wird es interessant.“
„Äh, ich meine“, stotterte Tanja, „das wäre irgendwie schön gewesen“, versuchte sie sich zu retten.
„Ist schon in Ordnung.“ Anette wollte Tanja nicht weiter ärgern. „Nachdem wir das nun geklärt hätten, erzählst Du mir mal, wie es zu Deiner Kündigung kam?“
Tanja war froh über den Themenwechsel und erzählte Anette die ganze Geschichte von Anfang an. „Ich bin also gespannt, was mich morgen im Geschäft erwartet“, beendete sie ihre Erzählung.
„Ich muss zugeben, das geht runter wie Öl, dass der Senior endlich mal selbst gehört hat, was sein Sohn für einer ist. Glaubst Du er wird trotzdem weiter
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