Die Liebe kommt auf leisen Pfoten
hinter ihm stehen?“
„Ich weiß es nicht, er hat heute Morgen ein ziemlich betretenes Gesicht gemacht. Ich werde es morgen sehen und kann Dir dann berichten.“
„Mach das auf jeden Fall. Wer war eigentlich die Frau heute auf dem Friedhof, die wollte, dass Du ihr Geschäft übernimmst?“
„Ich habe bei ihre meine Lehre zur Einzelhandelskauffrau gemacht. Sie will Ende des Jahres das Geschäft aufgeben und sucht einen Nachfolger. Es wäre generell mein Traumjob, aber ich werde die 100 000 Euro Ablöse nicht aufbringen können. Ich habe mir zwar vorgenommen, dass ich bei den Banken nachfrage, aber da ich kaum Eigenkapital habe, sehe ich ehrlich gesagt keine Chancen.“
„Aber Du wirst es doch probieren, oder?“
„Auf jeden Fall. Es wird schon irgendwie weiter gehen.“
Anette blieb noch eine Weile und sie redeten über dies und das. Tanja zeigte ihr die Fotos, die sie aus der Wohnung ihres Opas geholt hatte und erzählte die Geschichten dazu.
Irgendwann war es dann Zeit für Anette, sich zu verabschieden. Tanja brachte sie zu ihrem Auto. Sie wollte die Anwesenheit von Anette so lange es ging genießen. Auch Anette schien sich nur schwer trennen zu können. „Ich muss jetzt leider wirklich los“, sagte sie, als sie die Autotür öffnete. „Ich weiß“, seufze Tanja, „sehen wir uns diese Woche noch einmal?“
„Eher nicht. Ich habe ab morgen wieder eine 48 Stunden Schicht und am Wochenende fahre ich zu meinen Eltern. Aber nächste Woche dann. Ich melde mich einfach, wenn ich wieder da bin.“
„Das wäre schön“, sagte Tanja und hoffte, nicht zu enttäuscht zu klingen.
„Also, dann, bis nächste Woche.“ Anette gab ihr noch einen Kuss auf die Wange und stieg so schnell in ihr Auto ein, dass Tanja gar nicht mehr darauf reagieren, sondern nur noch den Rücklichtern hinterher schauen konnte.
Anette war lesbisch. Es wollte ihr den ganzen Abend nicht mehr aus dem Kopf raus. Hatte ihr Opa das im Gegensatz zu ihr vielleicht von Anfang an gewusst oder war es nur ein Zufall gewesen? Und was sollte dieser Kuss zum Abschied? War es eine freundschaftliche Geste gewesen oder könnte Anette tatsächlich mehr wollen? Und würde sie selbst mehr wollen? Auf jeden Fall fühlte sie sich pudelwohl in Anettes Gesellschaft und könnte ewig in ihre schönen Augen blicken. Sie musste sich eingestehen, dass es ein schöner Gedanke wäre, morgens aufzuwachen und Anette neben sich liegen zu haben. Doch Tanja wollte nicht daran denken. Sie wollte diese neue Freundschaft nicht zerstören, indem sie Anette nun hinterher hechelte. Sie waren gute Freunde, wenn man das nach so kurzer Zeit überhaupt sagen konnte. Mehr nicht. Tanja versorgte noch das Geschirr und ging dann ins Bett. Es dauerte lange, bis sie einschlafen konnte. Zu viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Anette, ihr Chef, das Angebot mit dem Sportgeschäft, ihr Opa. Irgendwann siegte aber doch die Müdigkeit.
Mit wachsamen Augen ging sie am nächsten Morgen in ihr Büro. Sie rechnete damit, dass der Junior-Chef sie irgendwo abpassen würde. Stattdessen wartete der Senior-Chef vor ihrem Schreibtisch und bat sie, später zu ihm ins Büro zu kommen. Da es eigentlich nicht mehr schlimmer werden konnte, ging sie kurze Zeit später mit einer gewissen Gleichgültigkeit zum Chef. Er saß hinter seinem Schreibtisch. In der Ecke saß der Junior-Chef, der vor sich auf den Boden starrte und Tanja keines Blickes würdigte. „Nehmen Sie doch bitte Platz, Frau Klein“, bat der Senior. „Ich habe Sie noch einmal hergebeten, um Sie zu fragen, ob Sie bei Ihrer Entscheidung bleiben, zu kündigen.“
„Ja, dabei bleibe ich.“
„Und ich kann Sie nicht umstimmen?“
„Nein, tut mir leid.“
„Auch nicht, wenn ich Ihnen sage, dass mein Sohn ab dem nächsten Monat nicht mehr hier arbeiten wird? Er wird in dem Kaufhaus meines Bruders eine neue Stelle anfangen.“
Tanja sah erstaunt zum Junior-Chef rüber, aber der starrte immer noch vor sich hin.
„Mein Entschluss steht fest“, sagte sie, obwohl sie kurz ins Wanken geraten war. Denn mit dem Weggang vom Junior wäre das Problem doch eigentlich gelöst. Aber sie hatte sich mittlerweile damit angefreundet, sich etwas Neues zu suchen, dass sie jetzt keinen Rückzieher mehr machen wollte.
„Haben Sie denn schon eine neue Arbeit in Aussicht?“
„Nein“, gab sie ehrlich zu.
„In diesem Fall werde ich Ihre Kündigung nicht akzeptieren.“
„Wie bitte?“ Tanja wollte schon Luft holen, um ihren Protest kund
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