Die liebe Verwandtschaft
Natürlich musste ich den beiden versprechen, sie um fünf Uhr morgens wieder abzuholen, denn zu diesem Zeitpunkt kam Herr Winternitz nach Hause.
»Mach dir keine Sorgen«, teilte mir meine unabhängige Tochter mit, während sie vor Nervosität zitterte, »ich bin dieser Verantwortung durchaus gewachsen.«
Weder die beste Ehefrau von allen noch ich konnten in dieser Nacht auch nur eine Sekunde schlafen. Um vier Uhr morgens sprang ich aus dem zerwühlten Bett und raste mit Vollgas zum Haus des Herrn Winternitz. Ob ich dort oder daheim nicht schlafen konnte, blieb sich schließlich gleich.
Zuerst läutete ich an der Tür, dann klopfte ich. Dann läutete ich wieder und schließlich trat ich gegen die Tür, aber niemand kam, um sie zu öffnen.
Also brach ich ein Küchenfenster auf. Zu meiner Erleichterung stellte ich zunächst einmal fest, dass das Babysitterteam anwesend war, wenn auch im Tiefschlaf. Ein zartes Schnarchen entströmte dem Lehnstuhl, auf dem Nava die Nacht durchwachte, während das zu bewachende Objekt mitten im Zimmer auf dem Teppich lag und sich heiser brüllte. Renana hingegen lag friedlich in der Gehschule des brüllenden Babys mit der Katze in den Armen und dem Daumen im Mund.
Ich schaltete blitzartig. Das Bewacherteam wurde auf den Rücksitz meines Wagens verfrachtet und das Baby im Gitterbett verstaut. Nicht eine Sekunde zu früh, denn in diesem Augenblick kam Herr Winternitz heim. Er war mit der Leistung der beiden Nachtwächterinnen höchst zufrieden und zahlte auf der Stelle. Die beiden schlaftrunkenen Nachtarbeiterinnen wussten zwar nicht recht, wie ihnen geschah, aber das Geld war fraglos Geld.
»Siehst du, Papi«, verkündete Renana mit müder Stimme, »ich hab dir doch gesagt, dass ich dieser Verantwortung gewachsen bin.«
Nach einer detaillierten Rekonstruktion der Ereignisse stellte sich heraus, dass zunächst alles glatt gelaufen war. Die beiden Babysitter scheinen erst nach etwa zehn Minuten eingeschlafen zu sein. Irgendwann in der Nacht dürfte die Katze sie aufgeweckt haben. Zu diesem Zeitpunkt war das Baby im Begriff, die Brüstung des Balkons zu erklimmen, um das Nachtleben der Stadt kennenzulernen.
Der Ausreißer wurde unter lautem Protest zurückgeschleppt und was weiter geschah, konnte nie ganz festgestellt werden, außer dass alle Beteiligten das Geschehen einigermaßen heil überstanden hatten.
Wir fanden, es wäre an der Zeit, Regina einzuschalten.
Unsere gute alte Babysitterin Regina wohnt, wie vielleicht einige meiner Leser noch wissen, ziemlich weit draußen in dem Vorort Holon. Es bedurfte einiger Überredungskunst, um sie ihrem wohlverdienten Ruhestand zu entreißen. Schließlich willigte sie ein, getarnt als Tante des alten Winternitz das Babysitterteam zu bewachen. Allerdings unter zwei Bedingungen: »Ich verlange ein Taxi von und nach Holon«, diktierte Regina, »und natürlich doppelte Bezahlung.«
»Warum doppelte Bezahlung?«
»Weil ich schließlich drei Babys zu hüten habe.«
Dagegen war wenig vorzubringen. Ich beauftragte ein Taxiunternehmen mit Reginas nächtlichem Transport und erfuhr bei dieser Gelegenheit, dass nach zwei Uhr früh ein erhöhter Sondertarif in Kraft tritt.
Natürlich hatte ich keine Zeit, mich mit derlei Nebensächlichkeiten herumzuschlagen. Ich engagierte einen Sicherheitsdienst, um die beiden Mädchen auf ihrem nächtlichen Weg zum und vom Arbeitsplatz im Auge zu behalten. Überflüssig zu sagen, dass die Herrschaften für die Nachtstunden auch erhöhte Tarife berechneten. Ich fragte mich, ob es nicht logischer wäre, wenn Nachtwächter bei Tag Überstunden berechneten, konnte mir aber keine Antwort geben.
Die beste Ehefrau von allen argumentierte, dass wir vermutlich Unkosten sparen würden, wenn wir das Winternitz-Baby für die Nachtstunden zu uns bringen ließen, aber daraus könnte schließlich ein psychologischer Schaden für Renana entstehen.
In der Nacht darauf tauchte ein neues Problem auf: Die beiden Arbeitnehmerinnen verspürten gegen Mitternacht plötzlich einen Riesenhunger. Mehr als das, sie beschlossen, dass dieser Hunger nur durch Spaghetti zu stillen wäre. Aber Regina weigerte sich, die Küche zu betreten.
»Ich bin professioneller Babysitter«, verkündete sie am nächsten Tag vorwurfsvoll, »und keine Köchin.«
Also engagierte ich die dicke Wirtschafterin der Seligs, um in Winternitzens Küche die Versorgung sowohl für das Bewacherteam als auch für die dazugehörige Katze zu sichern. Die Forderung der
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