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Die liebe Verwandtschaft

Die liebe Verwandtschaft

Titel: Die liebe Verwandtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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»unhygienischen Zustand, möglicherweise ansteckend« diagnostizierte.
    Das wäre gefährlich geworden, aber zum Glück stellte sich heraus, dass ein Vetter des Pferdedoktors mit dem Schwager von Frau Toscanini verwandt war, die den Zusatz »Die Zeugungsfähigkeit des Hengstes ist zweifelhaft« durchsetzte.
    Leider waren damit immer noch nicht alle Schwierigkeiten aus der Welt geschafft. Das Landwirtschaftsministerium wollte wissen, wo ich die Schaukelstute namens Brunhilde gekauft und wieviel Luxussteuer ich für sie bezahlt hätte. Zu diesem Zeitpunkt gab mein Anwalt mit der Begründung, dass er eine Familie erhalten müsse, meinen Fall ab.
    In der darauffolgenden Nacht wurde ich verhaftet.
    Die Verhandlung war kurz. Dank meiner bisherigen Unbescholtenheit bekam ich nur zwei Jahre Gefängnis. Die drei Monate, die ich in Verkehr mit den Behörden gestanden hatte, wurden mir angerechnet.
    Man wies mich in die Zelle Nummer 18 des alten Gefängnisses von Jaffa ein. Anfangs litt ich sehr unter dem ungerechten Urteil und vor allem unter der Einsamkeit, aber eines Tages ging die Zellentür auf und ich erhielt die Gesellschaft eines gutartigen, wenngleich etwas heruntergekommenen Zugpferdes. Es war gleichfalls wegen Betrugs verurteilt worden, weil es sich vor den Hafenbehörden in Haifa als Schaukelpferd ausgegeben hatte.

Mit Mazzes versehen
    Die epochale Erfindung während unseres Exodus war das ungesäuerte Brot, in der Mehrzahl »Mazzoth« genannt, im Sprachgebrauch »Mazzes«. Begreiflicherweise hatten unsere Vorfahren auf der Flucht aus Ägypten keine Zeit, sich mit der Zubereitung von Sauerteig abzugeben, und zur Erinnerung daran essen wir noch heute während des Pessachfestes ausschließlich ungesäuertes Brot, um uns darüber zu freuen, dass wir damals der ägyptischen Sklaverei entronnen sind.
    Wir freuen uns volle acht Tage lang, denn so lange dauert das Pessachfest. Falls irgendjemand einmal versucht haben sollte, acht Tage lang von puren Pappendeckeln zu leben, wird er begreifen, warum wir für den Rest des Jahres nur noch auf gesäuertes Brot Wert legen.
    An einem dieser Nach-Pessach-Tage, einem Mittwoch, wenn ich nicht irre, nein, an einem Dienstag traf ich in der Stadt meinen Freund Jossele, der unter seinem Arm ein großes viereckiges, in braunes Packpapier eingeschlagenes Paket trug. Wir gingen ein Stück miteinander und unterhielten uns über verschiedene Probleme der Philosophie und über die aktuellen Börsenkurse. Plötzlich blieb Jossele stehen und reichte mir das Paket.
    »Bitte sei so gut und halt mir das eine Minute. Ich muss in diesem Haus etwas abholen. Bin gleich wieder da.«
    Nachdem ich eine Stunde mit dem Paket in der Hand gewartet hatte, ahnte ich Böses und ging Jossele suchen. Die Bewohner des Hauses, in dem Jossele verschwunden war, waren empört. Jossele hatte die Rückmauer des Hauses gewaltsam durchbrochen und war verschwunden. Meine Ahnungen verstärkten sich. Nervös riss ich das braune Packpapier auf und fand darin eine Schachtel Mazzes mit dem noch unversehrten Siegel des Rabbinats.
    Zunächst schien mir Josseles Vorgehen rätselhaft. Was hatte ihn zu seiner Verzweiflungstat veranlasst? Vor allem aber, was sollte ich mit den Mazzes anfangen? Ich brauchte sie nicht. Ich hatte noch sechs Schachteln zu Hause.
    Kurz entschlossen verpackte ich das Paket wieder und reichte es einem Hausbewohner.
    »Entschuldigen Sie«, sagte ich. »Könnten Sie so liebenswürdig sein, mir das einen Augen blick zu halten?«
    Der Mann drückte das Paket gegen ein Ohr, was ein verräterisches Knacken zur Folge hatte, und riss triumphierend die Verpackung auf.
    »Dachte ich’s doch!«, rief er aus. »Da sind Sie aber an den Falschen geraten, mein Herr. Ich habe selbst noch neun Pakete, die ich nicht loswerde. Verschwinden Sie mitsamt Ihren Mazzes und lassen Sie sich hier nie wieder blicken.«
    Jetzt begann ich Josseles Verzweiflung zu verstehen, ja nachzufühlen. Aber das änderte nichts daran, dass ich mich der Brösel entledigen musste.
    In der nächsten Grünanlage legte ich das Paket unauffällig auf eine Bank und machte mich hastig aus dem Staub. Aber schon nach wenigen Schritten meldeten sich die ersten Gewissensbisse. »Schande über dich!« hörte ich meine traditionsbewusste innere Stimme flüstern. »Läßt man Mazzes in der Wildnis liegen? Dazu sind wir aus Ägypten ausgezogen? Hat uns der Herr dazu aus den Banden Pharaos befreit?« Es war die Erkenntnis, etwas Unrechtes getan zu haben, die

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