Die liebe Verwandtschaft
sitzen.
»Was sagst du da, was?«, zürnte der alte Herr hinter ihm her. Dann wandte er sich kopfschüttelnd an mich. »Waschlappen! Ist Ihnen eine solche Unverschämtheit jemals untergekommen? Und für diese Brut haben wir unseren Staat gebaut. Sind sie nicht fürchterlich? Sagen Sie selbst, sind sie nicht fürchterlich?« Er schüttelte nochmals den Kopf, seufzte tief auf und sagte leise: »Gott segne sie.«
Der Schaukelhengst
Als der Kusine meines Freundes Jossele ein Sohn geboren wurde, wollte ich dem Kleinen ein besonders schönes Geschenk kaufen, ohne Rücksicht auf die Kosten. Daher schrieb ich einen Brief an meinen Onkel Egon nach Amerika. Knappe zehn Tage später wurde ich vom Zoll benachrichtigt, dass ein großes Paket für mich angekommen sei.
Der Zollbeamte, bei dem ich landete, war außerordentlich höflich und schälte mit Engelsgeduld eine Papier hülle nach der andern ab, bis sich schließlich ein stattliches Schaukelpferd zeigte.
Ein wenig ärgerte ich mich über Onkel Egon. Der glückliche Sohn war um diese Zeit zwei Wochen alt und ein zwei Wochen altes Baby braucht kein Schaukelpferd. Aber nun war es einmal da, und ich wollte es ausprobieren. Doch das erlaubte mir der Beamte nicht. Ich dürfe das Schaukelpferd nicht anrühren, bevor ich nicht die Zollgebühr von 871,30 Pfund bezahlt hätte.
»Das ist ja der helle Wahnsinn! Warum so viel?«
»Sehen Sie selbst«, sagte der Beamte und hielt mir irgendeine Gebührentabelle unter die Nase. »Es handelt sich um ein zu Reitzwecken importiertes Vollblut.«
»Vollblut? Wovon sprechen Sie?«
»Unser beeideter Sachverständiger hat diesen Hengst als dreijähriges, hochgezüchtetes, normannisches Rennpferd eingestuft. Und erzählen Sie mir gefälligst nicht, dass es aus Holz ist, denn in Paragraph 117/82/kp steht kein Wort davon, aus welchem Material ein Pferd hergestellt wird. Ein Pferd ist ein Pferd.«
Da er jedoch nicht nur Beamter, sondern auch Mensch war, riet er mir, in einer Eingabe an die Zollbehörde das Pferd als »Spielzeug« zu deklarieren.
Die Eingabe ging ihren vorschriftsmäßigen Weg und schon nach wenigen Wochen erhielt ich den abschlägigen Bescheid. Ich beauftragte sofort einen Rechtsanwalt, der zu dem Schluss kam, dass die Höhe des Zollbetrags auf den Vermerk »für Reitzwecke« zurückginge. Die Zollgebühr für Nutzpferde sei bedeutend niedriger. Wir baten daher, das Pferd als »Nutzpferd« einzustufen.
Bald darauf erschien ein hoher Beamter des Landwirtschaftsministeriums und machte mich darauf aufmerksam, dass ich vergessen hatte, den Namen des Pferdes anzuführen.
»Schultheiß«, sagte ich, denn ich besaß einen pferdegesichtigen Freund, der so hieß. Der Beamte notierte den Namen und übergab mir eine Kopie.
Von da an ging alles glatt. Das Landwirtschaftsministerium verständigte mich, dass ich Schultheiß als Nutzpferd führen dürfe, sobald ich den Nachweis erbracht hätte, dass ich ihn für die Zucht benötige. Da es ein offenes Geheimnis war, dass ich keine Pferdezucht besaß, wandte ich mich von Neuem an meinen Anwalt, der mir nach Prüfung der einschlägigen Gesetze mitteilte, dass schon der Besitz einer einzigen Stute mich zur Haltung eines Hengstes berechtige. Wir verständigten das Landwirtschaftsministerium, dass meine Stute Brunhilde in Jaffa eingestellt sei. Ein Jockey bestätigte mir gegen nur fünfzig Pfund, dass Brunhilde rossig und ein sofortiges Eingreifen Schultheißens von größter Wichtigkeit für die israelische Pferdezucht wäre.
Eine Woche später läutete es an meiner Tür. Zwei Detektive mit Hausdurchsuchungsbefehl drangen ein. Der Staat Israel hatte mich auf Betrug verklagt.
»Sie wollen uns einreden, dass ein Schaukelpferd Fohlen kriegen kann?«, schnauzte einer der Detektive mich an. »Halten Sie uns für komplette Idioten?«
Ich bejahte, packte das Nötigste zusammen und nahm Abschied von meinem Weib. Erst im letzten Augenblick fand ich meine oft bewährte Schlagfertigkeit wieder.
»Aber meine Herren«, sagte ich. »Wissen Sie denn nicht, dass auch Brunhilde ein Schaukelpferd ist?«
Die Detektive flüsterten miteinander, entschieden, dass dies natürlich die Sache grundlegend ändere, und verabschiedeten sich. Zwei Stunden später erhielt ich eine Rechnung über 117 Pfund für »Stallgebühren für Hengst Schultheiß«. Ein weiterer Zwischenfall ergab sich mit dem von der Regierung eingesetzten Tierarzt, der den staubbedeckten Schultheiß im Zolldepot untersuchte und einen
Weitere Kostenlose Bücher