Die liebe Verwandtschaft
mich in den Park zum verwaisten Mazzespaket zurückzog.
Zu meiner Verblüffung lagen jetzt zwei auf der Bank. Irgendjemand hatte meine kurze Abwesenheit schamlos ausgenutzt. Was blieb mir übrig, als beide Pakete mitzunehmen. Ich wunderte mich nur, dass ein Jude einem andern Juden so etwas antun kann.
In Schweiß gebadet kam ich zum Haus meines Onkels Jakob, in das ich durchs Küchenfenster einsteigen musste, weil die Haustür von großen viereckigen Paketen in braunem Packpapier verbarrikadiert war. Wir plauderten ein Weilchen über dies und das, dann tat ich, als wäre mir etwas sehr Dringendes eingefallen, entschuldigte mich ganz plötzlich und sprang zum Fenster hinaus. Unten auf der Straße lachte ich mich halbtot, meine Mazzes waren jetzt beim guten alten Onkel Jakob bestens aufgehoben.
Ich war noch keine zehn Minuten zu Hause, da klopfte es. Ein Jemenite stand vor der Tür, schob sechs Pakete Mazzes herein, warf einen Brief hinterher und verschwand.
»Sende Dir die sechs Pakete Mazzes, die Du bei mir vergessen hast«, schrieb der gute alte Onkel Jakob. »Möchte Dich nicht berauben. Gib nächstens besser acht.«
Am nächsten Tag mietete ich einen dreirädrigen Lieferwagen, beförderte die Pakete zum nächsten Postamt und schickte sie anonym an Schlomo, der in einem weit entfernten Kibbuz lebte. Ich war sehr stolz auf diesen Einfall.
Aber ich war nicht der Einzige, der ihn hatte. Drei Tage später brachte mir die Post, gleichfalls anonym, vierzehn Pakete Mazzes. Vier wurden mir von einer inter nationalen Transportgesellschaft zugestellt und durch ein Fenster, das ich unvorsichtigerweise offen gelassen hatte, flogen mir zwei weitere herein.
Mühevoll bahnte ich mir am nächsten Morgen durch Berge von Mazzespaketen den Weg ins Freie. Da erblickte ich einen betagten Bettler, der an der Hausmauer ein kleines Schläfchen in der Frühjahrssonne hielt. Munter pfeifend, pirschte ich mich an ihn heran.
»Haben Sie Hunger, mein Alter? Möchten Sie nicht etwas Gutes essen?«
Der Bettler sah mich prüfend an.
»Wie viele?«, fragte er.
»Sechsundzwanzig«, flüsterte ich. »Kleines Format, dünn, gut erhalten.«
Der alte Bettler dachte über meinen Vorschlag nach. Dann entschied er sich.
»Im Allgemeinen bekomme ich fünf Pfund pro Schachtel. Aber bei größeren Mengen gebe ich Rabatt. Macht also 300 Pfund, mit Garantie.«
Ich kann mich jetzt in meiner Wohnung wieder frei bewegen, wenn ich auch gestehen muss, dass mir die Mazzes irgendwie fehlen. Ein Paket hätte ich vielleicht behalten sollen. Moses soll schließlich nicht dafür büßen müssen, dass er Ägypten so rasch verlassen hat.
Kontakt mit dem Jenseits
Psychologie ohne Parapsychologie ist wie Fernsehen ohne Antenne. Diese noch nicht ganz exakte Wissenschaft eröffnet dem Bewusstsein unterbewusste Fenster. Das Problem ist allerdings, dass das Bewusstsein sie meistens nicht mehr schließen kann.
Mein diesbezügliches Erlebnis nahm seinen Anfang, als ich auf dem Heimweg Kunstetter begegnete. Wir plauderten eine Weile über den erfreulichen Anstieg des Dollarkurses und den bevorstehenden Weltuntergang. Dann zuckte Kunstetter die Schultern.
»Eigentlich interessiert mich das alles nicht. Ich bin Spiritist.«
Aus meinem Gesichtsausdruck muss klar hervorgegangen sein, wofür ich ihn hielt, denn er zeigte sich beleidigt. »Ihr blödsinniges Grinsen«, sagte er, »beweist mir nur, dass Sie ein vollkommener Ignorant sind. Was wissen Sie denn überhaupt vom Spiritismus?«
»Nicht viel«, gestand ich. »Ein paar Leute setzen sich zusammen, beginnen mit den Geistern der Verstorbenen zu reden und verraten niemandem, wie der Schwindel zustandekommt.«
Kunstetters Gesicht verfärbte sich. Mit rauhem Griff packte er mich am Arm und schleppte mich ab. Ich protestierte leidenschaftlich, ich machte geltend, dass ich zum Medium völlig ungeeignet und überdies ein Skeptiker sei – es half nichts.
In dem kleinen Zimmer waren fünf traurige Männer und drei schläfrige Frauen versammelt. Erst nachdem er mich vorgestellt hatte, ließ Kunstetter meinen Arm los und sagte: »Dieser Bursche glaubt nicht an …«
Er brauchte nicht weiterzusprechen. Das empörte Murren der Anwesenden nahm ihm das ab.
Einer von ihnen informierte mich, dass auch er vor fünfzehn Jahren so ein hochnäsiger Zweifler gewesen sei. Aber dann hätte Rabbi Akiba bei einer Séance auf Befragen seine Telefonnummer auswendig gewusst (die des Fragestellers versteht sich), und seither hätte er
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