Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die liebe Verwandtschaft

Die liebe Verwandtschaft

Titel: Die liebe Verwandtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
Vom Netzwerk:
seiner Jugend noch nicht entdeckt worden waren. Und er verlangte, dass bei Regen niemand auf die Straße gehen dürfe, damit die Regenschirme nicht nass würden. Viele Familienmitglieder, gelobt sei ihr Andenken, hatten sich lebenslang getröstet: »Wozu mit ihm streiten, die Zeit arbeitet für uns …«
    Kürzlich erst ordnete Großvater an, seine Urenkel in Einmachgläsern aufwachsen zu lassen, damit sie nicht zu groß würden und sich etwa den Kopf am Türrahmen stießen. Als die Eltern dagegen protestierten, schickte Großvater seinem kleinen Bruder ein Fax und informierte ihn über den Familienaufstand. Der Bruder stellte sofort die Zahlungen ein und verlangte eine umgehende Rückzahlung aller bisherigen Überweisungen. Die Familie verzweifelte jedoch nicht. »Wozu mit Großvater streiten?«, sagten sie. »Dann ziehen wir eben eine Generation in Einmachgläsern auf. Irgendwann wird er ja doch einmal das Zeitliche segnen.«
    Sie sitzen noch immer im Dunkeln, essen heimlich Kartoffeln, ziehen Kinder in Einmachgläsern auf und warten und warten und warten …

Yigal und die Inquisition
    Unlängst saß ich im Park auf einer Bank, auf der ein alter Herr in die Lektüre einer jiddischen Zeitung vertieft war. Neben ihm las ein ungefähr zehn Jahre alter Junge in einem blutrünstigen Comic-Heft.
    Plötzlich fragte der Junge den alten Herrn: »Großpapa, was ist die Inquisition?«
    Großpapa faltete die Zeitung zusammen und holte genießerisch aus.
    »Vor Hunderten von Jahren, mein kleiner Yigal, im finsteren Mittelalter, hatten unsere Vorväter ein sehr schweres Leben. Man sperrte sie in Gettos, die von hohen Mauern umgeben waren, und jeder Christ konnte sie treten und anspucken und nach Herzenslust erniedrigen. Ja, ja. So war das damals. Die Steuereintreiber der Fürsten und Bischöfe raubten ihnen das letzte Geld, wenn es ihnen nicht schon die lieben Nachbarn geraubt hatten. Unsere Waisen wurden lebendig verbrannt, unsere Männer wurden zu den niedrigsten Diensten gezwungen, unsere Frauen wurden …«
    »Schon gut«, unterbrach ihn Yigal. »Das genügt. Ich habe dich gefragt, Großpapa, was Inquisition bedeutet.«
    »So warte doch. Ich bin gleich so weit. Die Inquisition war ein fürchterliches, grausames Verfahren zur Einschüchterung all derer, die an den Dogmen der Kirche zweifelten. Natürlich waren die Opfer fast immer Juden.«
    »Warum › natürlich ‹ ?«
    »Wirst du mich endlich in Ruhe weiterreden lassen?«, ärgerte sich der alte Herr. »Hör doch zu. In den Folterkammern der Inquisition wurden die Opfer von Mönchen in roten Kapuzen entsetzlich gequält. Man zwickte sie mit glühenden Zangen, hängte sie verkehrt herum auf, zog unseren Märtyrern bei lebendigem Leib …«
    »Genug«, unterbrach Yigal aufs Neue. »Den Rest bis zur Revolution kannst du überspringen.«
    »Bis zu welcher Revolution?«
    »Na, der Aufstand der Juden gegen die Mönche.«
    »Laß deine dummen Reden, Yigal. Unsere Vorfahren waren fromme, gottesfürchtige Juden, die sich gegen den Willen des Ewigen nicht auflehnten.«
    »Was heißt das? Willst du etwa sagen, dass Gott diese Dinge, dass er die Inquisition wollte?«
    »Schäm dich, Yigal. Spricht man so von Gott? Unsere Vorfahren waren große Helden, die nicht einmal auf dem Scheiterhaufen von ihrem Glauben abließen. Ihre Überzeugung war unerschütterlich und ihre innere Stärke war gewaltig.«
    »Fein. Und dann sind sie schließlich doch auf die Mönche losgegangen?«
    »Schweig, du missratenes Kind. Deine einzige Entschuldigung ist, dass du nicht weißt, wovon du sprichst. Unsere Vorfahren glaubten so fest an Gottes Gerechtigkeit, dass selbst ihre Folterknechte von bleichem Schrecken erfasst wurden und aus Angst immer mehr und mehr unschuldige Opfer töteten.«
    »Ist das ein Witz, Opa?«
    »Ruhe. Willst du vielleicht gar das Andenken unserer Märtyrer entweihen? Wenn sie der Inquisition nicht so heldenhaft Widerstand geleistet hätten, wärest du heute kein Jude.«
    »Das ist nicht wahr«, empörte sich Yigal. »Ich wäre auf jeden Fall ein Jude, weil ich in Israel geboren bin.«
    »Ein Heide bist du, sonst nichts. Weil du keine Ehrfurcht vor dem Heldenmut unserer Vorfahren hast.«
    »Quatsch«, rief Yigal und sprang auf. »Willst du mir einreden, dass es Gottes Wille wäre, wenn mich die Mönche verbrennen? Sei nicht bös, Großpapa, aber das ist ein Unsinn. Und deine Vorfahren müssen fürchterliche Wasch lappen gewesen sein.«
    Damit wandte Yigal sich ab und ließ uns

Weitere Kostenlose Bücher