Die Liebe zu Rosen mit Dornen
meine Stimme von übermenschlicher Lautstärke, nachdem ich wieder normales, sauberes Blut habe.
Sie kommt zurück und bleibt an meiner Tür stehen. »Oh, hi, Gal! Hab Sie gar nicht gesehen.« Sie klimpert unschuldig mit den Wimpern und streicht ihren roten Pony glatt. Im unsteten Licht der Neonröhren sieht ihre helle Haut grünlich aus.
»Weil Sie nicht hingeguckt haben.« Ich lächle und kralle mich so fest in die gebleichte Bettdecke, dass es wehtut. »Wann haben Sie eine Niere für mich?«
»Sobald Sie sich noch einmal dem Test unterzogen haben.« Sie presst ihr Klemmbrett an die Brust und weicht meinem Blick aus, konzentriert sich lieber auf die geschlossenen Jalousien rechts von meinem Kopf. Aber es ist mir egal, dass wir uns keine Weihnachtskarten schreiben. Ich will nur eine funktionierende Niere. »Wir müssen es tun wegen des Shunts in Ihrem Bein. Wenn wir eine neue Niere einsetzen, könnte es sein, dass Ihr Blutfluss behindert wird. Die Niere würde absterben. Sie wissen, dass ich die Transplantation nur durchführen darf, wenn der Blutflusstest positiv ausfällt.«
Sie sagt das alles mit monotoner Stimme und ohne mir dabei in die Augen zu sehen. Ich habe schon viele Ãrzte erlebt, die sich am Krankenbett nicht zu benehmen wussten, aber Dr. Blankenship kriegt den Pokal. Ich spreize meine Hände. »Ich erteile Ihnen die Erlaubnis, es trotzdem zu tun. Zählt das denn gar nichts?«
»Ich weiÃ, was Sie sagen wollen, und ich weiÃ, was in den Vorschriften steht.«
»Ich bin also in jedem Fall geliefert: wenn ich den Test mache und auch, wenn ich ihn nicht mache.«
Sie verzieht den Mund zu einem Lächeln, und auf ihren Wangen entstehen ein paar Falten. »Das Kontrastmittel schadet Ihnen nur, wenn Sie glauben, dass es Ihnen schadet.«
Ich schlieÃe kurz die Augen.
Ich weiÃ, dass ich auf das Kontrastmittel allergisch reagiere, so wie man weiÃ, dass man auf Bienen allergisch reagiert. Zum ersten Mal hatte ich eine Reaktion, als ich zwölf war, und da war mir noch nicht mal klar, was ein Kontrastmittel ist. Meine Atmung verlangsamte sich, mein Hals schwoll zu, und ich bekam Ausschlag auf den Wangen. Ich weià nicht mehr allzu viel davon, nur das, was meine Mutter mir erzählt hat. Entscheidend ist die Frage, wie ich eine psychosomatische Reaktion auf ein Kontrastmittel haben konnte, wenn mir gar nicht bewusst war, dass sie es mir in die Venen pumpten?
Die Ãrztin, die mir das Kontrastmittel verabreicht hatte, erklärte meiner Mutter danach, wenn ich es noch mal bekäme, würde ich wahrscheinlich daran sterben.
»Was wäre, wenn Sie nach Ihrem ersten Bienenstich angeschwollen wären und sich Ihnen die Kehle zugeschnürt hätte?«, fragte ich Dr. Blankenship, als wir dieses Gespräch letztes Mal führten. »Würden Sie rumlaufen und versuchen, sich absichtlich stechen zu lassen?«
Sie lachte mich aus. »Das ist, als wollte man Ãpfel mit Birnen vergleichen.«
»Eher Ãpfel mit Ãpfeln«, entgegnete ich. »Vielleicht Granny Smith mit Red Delicious. Aber beides sind Ãpfel!«
Als ich so dasitze, mit geschlossenen Augen, und diese Erinnerung in mir hochkommt, probiert Dr. Blankenship es noch mal. »Wir können es versuchen und sofort abbrechen, falls irgendetwas schiefgehen sollte. Ich bin mir sicher, dass es nicht am Kontrastmittel liegt. In unseren Studien deutet nichts darauf hin, dass eine solche Allergie überhaupt möglich ist.«
Das alte Lied. »Dieses Gespräch kommt mir seltsam bekannt vor, Frau Doktor.«
»Guten Morgen, Mr Walters.« Dr. Blankenships Stimme wird samtig. Walters kommt vorbei.
Walters bleibt stehen. Heute trägt er gebügelte weiÃe Leinenhosen und ein hellblaues T-Shirt, und er hält einen Panamahut in den Händen, mit dem er aussieht, als wollte er auf die Bahamas und nicht zur Dialyse. »Sie operieren heute Morgen, was? Ich hoffe, für mich haben Sie auch bald eine von diesen Nieren.«
»In den nächsten zwei Wochen müsste es eigentlich klappen.« Sie strahlt ihn an.
Er winkt mir höflich zu. »Und wie geht es uns heute früh?«
»Wie es âºunsâ¹ geht, weià ich nicht, aber mir geht es gut, danke.« Ich spreche mit zusammengebissenen Zähnen.
Er geht weiter.
Dr. Blankenship dreht sich wieder zu mir um. Diesmal schafft sie es tatsächlich, mir in die Augen zu sehen.
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