Die Liebe zu Rosen mit Dornen
mich an ein beliebtes Mädchen auf der Highschool, das sich dumm stellt, um die Aufmerksamkeit der Jungs auf sich zu ziehen, aber schlauer ist als alle anderen. »Heuchler« ist das Wort, das ich suche.
Unversehens sitzt er auf dem leeren Stuhl neben mir. »Entschuldigen Sie mich, junge Frau. Bin ich Ihnen in irgendeiner Form zu nahe getreten?«
Ich weiche vor ihm zurück, erschrocken, dass er immer noch mit mir redet. »Es heiÃt âºVerzeihungâ¹. âºEntschuldigen Sie michâ¹ sagt man, wenn man sich kurz zurückziehen möchte, etwa vom Tisch, beim Abendessen.« Ich schinde Zeit. Womit ist er mir zu nahe getreten, abgesehen von seiner Existenz?
»Was?« Er blinzelt, und das Grau spiegelt sich in seinen Augen, wodurch sie nur noch blauer leuchten.
Ich lasse meine Zeitschrift sinken. Es reicht. Dara und Riley und die Rosenschau und die Niere. Besonders die Niere. »Ich finde es nur komisch, dass manche Menschen schon mit einer Krankheit geboren werden und deshalb Hilfe brauchen, wohingegen andere sie sich selbst zuziehen und mehr Unterstützung bekommen, als sie möglicherweise verdient haben.«
Er verzieht einen Mundwinkel. »Sprechen Sie von mir?«
Herausfordernd starre ich ihn an. »Ich weià alles über Sie. Jeder weià es.« Ein Säufer, der seine Blutdruckmedikamente nicht nimmt und seine einwandfrei funktionierenden Organe ruiniert. Mit kaltem Schaudern sehe ich plötzlich Becky vor meinem inneren Auge. So könnte Becky in zehn oder zwanzig Jahren sein.
Er faltet seine Hände auf dem übergeschlagenen Knie. »Und deshalb hassen Sie mich?«
»Ich hasse Sie nicht. Nicht wirklich.« Ich hole ganz besonders tief Luft, denn ich bin mir darüber im Klaren, dass die Schwestern hinter der Scheibe dieses Gespräch aufmerksam verfolgen. Ich hoffe, sie haben später noch eine ruhige Hand mit den Nadeln. »Ich wurde von der Liste gestrichen.«
Seine buschigen Augenbrauen ziehen sich zusammen und werfen einen Schatten auf seine Wangenknochen, als würde eine dunkle Raupe über sein Gesicht kriechen. »Tut mir leid, das zu hören. Ich weiÃ, wie schwer das Warten ist.«
»Ich habe es schon durchgemacht. Schon zweimal. Ich weiÃ, wie das ist.« Ich kann es nicht leiden, wenn Leute so von oben herab mit mir reden. Egal, ob er oder Dr. Blankenship. »Ich bin der Ansicht, dass es Kriterien für die Behandlung geben sollte.«
»Damit nur der moralisch Einwandfreie Hilfe erfährt?« Seine Stimme klingt aufmerksam, nicht aggressiv. »Wenn sich zum Beispiel ein Motorradfahrer weigert, einen Helm zu tragen, und deshalb eine Kopfverletzung erleidet, sollte man ihm die Behandlung verweigern? Und einem fettleibigen Menschen, der an Diabetes erkrankt, sollte man auch nicht helfen?«
Ich überlege. »Darüber habe ich noch nicht weiter nachgedacht, aber vielleicht sollte jeder die Verantwortung für sein Tun selbst übernehmen â und für die Folgen dieses Tuns.«
»Beziehen Sie denn gar nicht die Fehlbarkeit des Menschen mit ein?« Walters sieht mich mit traurigem Lächeln an. »Ich habe angefangen zu trinken, Gal, als ich am Tiefpunkt meines Lebens stand. Meine Frau war gerade gestorben. Ich habe mein Geschäft verloren. Ich saà in einem tiefen Loch und kam da allein nicht wieder raus.«
Ich suche nach Worten. »Das tut mir leid.«
Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück, und ich meine, eine gewisse Genugtuung in seiner Miene zu entdecken. Sein Lächeln scheint mir allzu selbstgefällig.
Das schürt nur meinen Ãrger. »Sie finden es also entschuldbar, dass sich jemand wegen eines tragischen Ereignisses selbst kaputtmacht? Vielen passieren schlimme Dinge, ohne dass sie sich selbst schaden â oder anderen.«
»Es soll keine Entschuldigung sein. Es ist einfach das, was passiert ist. Ein Grund.«
Ich schnaube. Ich bin kein Freund davon, wenn Leute ihre Missetaten erläutern, um der Verantwortung zu entgehen. »Ich wette, Sie finden auch, alle Mörder in der Todeszelle sollten freigelassen werden, weil sie eine schwere Kindheit hatten.«
Er hebt beide Hände. »Ganz und gar nicht. Ich sage nur«, er legt seine Hand auf meinen Unterarm, »dass keiner von uns perfekt ist, Gal.«
Ich entferne seine Hand von meinem Arm. »Woher wissen Sie, wie ich heiÃe?«
»Genau so, wie Sie wissen, wie ich heiÃe. Wir alle
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