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Die Lieben meiner Mutter

Die Lieben meiner Mutter

Titel: Die Lieben meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schneider
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Dreck beschmeißt! So, jetzt ist mir bedeutend wohler!
    Falls Andreas diesen Brief bekommen hat, mag er eher erleichtert gewesen sein als betroffen. Eine zornige Verlassene weckt nicht so leicht Schuldgefühle wie eine Verzweifelte, die sich an ihren Liebhaber klammert. Aberer glaubt ihr nicht ganz, dass sie ihre Bindung an ihn überwunden habe. Und er kennt die Radikalität der Mutter, er sieht voraus, dass ihn bei einem Besuch in Grainau nur Vorwürfe und schmerzliche Szenen erwarten würden. Was für eine Energieverschwendung, mag Andreas sich gesagt haben. Warum sollte er sich solchen aufwühlenden Auseinandersetzungen stellen, nun, da alles entschieden ist? Er will nicht nur, er muss arbeitsfähig bleiben! Wenn er schon ein Ekel ist – in einem Brief an die Mutter hat er einmal diesen Titel für sich vorgeschlagen –, ein Masochist ist er nicht.
    Mit ihrer letzten Kraft sucht die Mutter, ihre neue Rolle in dem Dreieck zu bestimmen. Es will ihr nicht in den Kopf, dass Andreas von ihrem Freundschafts-Angebot nichts wissen will und sich wieder einmal tot stellt. Oh liebe Eitelkeit , schreibt sie Heinrich. Er verträgt nicht den geringsten Einwand, sondern nur die totale Anerkennung und Bewunderung. Ich bin traurig, dass er so klein ist. Offenbar komme Andreas nicht damit zurecht, dass sie ihn überwunden habe. Sie hält es sogar für möglich, dass er ein schon sicher geglaubtes Engagement ihres Mannes hintertrieben habe. Ganz nach Tyrannenart: Wenn mir deine Frau nicht mehr hörig ist, jage ich euch beide aus meinem Schloss!
    Sie erschrickt, als Linda ihr sagt, dass sie ein Kind von Andreas will. Sie kämpft ihren Schmerz nieder und nimmt sich vor, der Freundin bei dem Schicksal zu helfen, das auch ihr unweigerlich bevorsteht. Denn darinist sich die Mutter sicher: So unvermittelt, wie der kalte Prinz sie verstoßen hat, wird er auch Linda in die Wüste schicken und ihre Gefühle ebenso mit Füßen treten wie die ihren.
    Zu diesem Zeitpunkt kann die Mutter noch nicht wissen, wie nahe sie der Wahrheit mit ihren Zweifeln an Lindas Zukunft mit Andreas kommt. Sie kennt den Brief nicht, den Andreas – ausdrücklich im Vertrauen auf die Diskretion seines Freundes – an Heinrich schreibt. Ein offenes Wort nur an dich , heißt es dort. Zur Premiere von »Barbier von Sevilla« sei Linda nach Hamburg gekommen. Offenbar sei sie von Andreas’ Regie, von dem Improvisorium des Opernhauses und von der ganzen Stadt derart begeistert, dass sie die Absicht habe, ihre Zelte in München abzubrechen und nach Hamburg umzuziehen. Er, Andreas, wolle Heinrich nur sagen, dass er Linda nicht im Geringsten zu diesem Schritt ermuntert habe. Vielmehr habe er sie wiederholt und eindringlich gebeten, von ihren Plänen Abstand zu nehmen.
    Andreas schließt den Brief an Heinrich mit einer rätselhaften Wendung. Warum ich dir das alles sage? Ich glaube, du weißt es. Es liegt mir fern, dir eine naheliegende Hilfe auch nur im Geringsten zu erschweren.
    Es bleibt offen, worauf Andreas mit den letzten Sätzen dieses Briefes hinauswill. Wollte er Heinrich damit sagen, dass er auf keinen Fall gewillt sei, sich auf Lindas Avancen einzulassen und damit einen Keil zwischen die beiden Freundinnen zu treiben? Oder spielt erauf eine Beziehung zwischen Linda und dem Vater an?
    Offenbar hat sich Linda weder von Andreas noch von ihrer Freundin von ihren Hoffnungen abbringen lassen. Schmerzlich wird der Mutter klar, dass sie mit ihrer Freundin nicht mehr offen reden kann. Linda hält plötzlich Abstand zu ihr, weil es Andreas tut. Oh diese labilen Geschöpfe , schreibt sie an Heinrich, die heute nicht mehr wissen, was sie gestern sagten . Aber wenigstens Andreas muss und will sie mit der Wahrheit konfrontieren. In immer neuen Anläufen hat sie sich zu einer Bilanz durchgerungen. Das Scheitern ihrer Liebe ist kein persönliches Schicksal, das sich aus einer ungünstigen Konstellation ergeben hat, aus dem Zeitmangel eines überbeschäftigten Regisseurs und den Bindungen einer vierfachen Mutter an ihre Kinder. Es hat nichts mit irgendwelchen äußeren Umständen zu tun, nichts mit dem Krieg, nichts mit der Entfernung, nichts mit verspäteten oder ausfallenden Zügen, auch nichts, wie er einmal angedeutet hat, mit einer gewissen Distanz zu ihrem Typ. Dieses Scheitern ist in ihm selbst begründet und wird sich unweigerlich mit jeder anderen Geliebten wiederholen. Was sie früher nachsichtig die Schwankungen seines Charakters genannt hat, seine Unfähigkeit sich

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