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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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und das gewöhnlich zu den unpassendsten Zeiten.
    Reverend Barker führte, wie er es selbst nannte, »ein Leben auf
    Raten«, nur war es keine Waschmaschine und kein Fernsehapparat, was er abstotterte, sondern sein Leben. Als ich mit meiner Praxis begann, hatte er eine kleine Pfründe in meinem Bezirk. Er hatte eine Frau und fünf Kinder, die ich aber kaum einmal sah, obgleich sie auf meiner Liste standen, da sie rücksichtsvoll und gesund waren. Dann hatte vor etwa drei Jahren an einem heißen Sonntagnachmittag die kleine Christine Barker an unsere Tür geklopft und eine höfliche Nachricht von ihrer Mutter gebracht, daß es ihnen leid täte, mich zu stören, aber ihr Vater hätte den Rasen gemäht, als er plötzlich heftige Schmerzen in der Brust bekam, sich unwohl fühlte und auf dem Sofa läge. Würde es wohl zuviel Umstände machen...? Aber da begann mein Geigerzähler schon heftig zu ticken. »Es wird nicht lange dauern«, sagte ich, wie ich mich erinnere, zu Sylvia. »Reverend Barker hat einen Herzinfarkt.« Das war keine genaue Diagnose, da ich den Patienten noch nicht gesehen hatte, aber es war auch kein blinder Schuß ins Dunkel, und ebensowenig konnte man es Intuition nennen. Es war einfach so, daß man nach einer gewissen Anzahl von Jahren als praktischer Arzt den Blick dafür bekam, sich aus dem Kuddelmuddel der verschiedensten Anzeichen ein richtiges Bild zu machen. Es war nicht das höfliche, nette Bild, das Christine Barker mir gemalt hatte, es waren die ganzen Umstände, die ich in Rechnung zog - und die waren so, wie ich sie unglücklicherweise schon oft gesehen hatte. Ein bisher gesunder Mann, Alter zwischen vierzig und fünfzig, abgehetzt und überarbeitet, plötzliche körperliche Anstrengung, starke Schmerzen in der Brust... Ich konnte mich natürlich irren, aber ich glaubte es nicht. Ich hatte recht. Einige Wochen später, als sich der Reverend erholt hatte und ich ihm einen Routinebesuch machte, sagte er zu mir: »Lassen Sie uns einmal über die Dinge reden, Doktor.«
    Er setzte sich im Bett auf, und ich legte meinen Blutdruckmesser beiseite.
    »Gewiß«, sagte ich. »Was für Dinge?«
    »Die Prognose. Diesmal bin ich noch nicht zu meinem Herrn heimgegangen. Ich möchte aber gern wissen, wie lange es Ihrer Meinung nach dauern wird, bis ich das Vergnügen haben werde.«
    Man konnte ihm keine größere Erregung anmerken, als wenn wir die Einladung zu einem Wohltätigkeitsfest besprächen.
    »Sie müssen sich über solche Dinge keine Gedanken machen«, a, j ^ ihn. »In einigen Wochen ist alles in Ordnung. Natürlich sollten Sie ein wenig ruhiger leben...«
    »Ich habe keineswegs Angst«, erklärte er, »das müssen Sie mir glauben. Es geht einfach nur darum, daß ich meine Pläne machen muß. Ich habe sechs Angehörige, und ihretwegen ziehe ich es vor, die Tatsachen zu kennen, statt Vertröstungen zu hören. Ich muß meine Anordnungen treffen, und ich habe bei manchen meiner Pfarrkinder diese Beschwerden kennengelernt, um zu wissen, daß ich diese Welt ein wenig früher als angenommen verlassen muß.«
    »Ich wollte, daß mehrere meiner Patienten Ihren Mut hätten, Reverend«, seufzte ich.
    Er sah mich überrascht an und entgegnete: »Es ist nicht Mut, es ist Glaube - und der hilft bei allem!«
    Da der Reverend Barker einer der wenigen Patienten zu sein schien, die in der Lage waren, der Wahrheit mit Gleichmut ins Gesicht zu sehen, entschloß ich mich, sie ihm zu sagen. Sein Herzanfall war sehr ernsthaft gewesen, und es war höchst wahrscheinlich, daß er in nicht zu ferner Zukunft einen weiteren haben würde. Ich riet ihm, sich zu schonen, und malte die Aussichten, die nicht sehr glänzend waren, so sanft wie möglich.
    Es war, als hätte ich einem Fisch geraten, das Schwimmen aufzugeben. Reverend Barker war unfähig, sich zu schonen, im Gegenteil, er erhöhte seine Anstrengungen, um die Zukunft seiner Familie zu sichern. Als man ihm nach etwa einem Jahr eine größere, wichtigere Pfründe in Essex anbot, hatte er nicht gezögert, sie anzunehmen. Als er mir erklärte, welche zusätzlichen Pflichten er dort außer seinem erhöhten Gehalt haben würde, hatte ich ihn gewarnt:
    »Sie wissen, daß Sie das töten kann.«
    Aber er erwiderte nur: »Es ist ein Ruf Gottes.«
    Und nun schien es so, als ob sein Herz ihn wieder im Stich gelassen hätte.
    Ich hatte zwanzig Minuten zu fahren, bis ich bei dem Haus der Barkers in Essex ankam, aber es war keine Aufregung zu spüren. Das Haus war größer als das

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