Die lieben Patienten!
vorherige, aber nicht bequemer. Reverend Barker murrte nie, beschwerte sich nicht und erwähnte es mir gegenüber nicht einmal, daß er einfach zuwenig Geld für seine harte Arbeit bekam.
Mrs. Barker berichtete mir, daß ihr Mann früh zu Bett gegangen sei, da er über Müdigkeit klagte. Kurz bevor sie mich anrief, hatte er einen schmerzhaften Anfall gehabt, ähnlich wie der frühere. Sie führte mich auf einer Treppe ohne Läufer zu dem großen Schlafzimmer, das deutlicher als alle Worte erkennen ließ, daß es hier nicht einen Sparpfennig für etwas anderes als die dringendste Notwendigkeit ihrer Existenz gab.
Reverend Barker war zu krank, um zu sprechen. Ich tat, was erforderlich war, und ging dann mit seiner Frau wieder die Treppe hinab.
»War es ein Herzanfall?« fragte sie.
»Ich fürchte, ja.«
»Wird es wieder gut werden?«
»Ich glaube, diesmal noch«, erklärte ich, »obwohl es schwierig ist, etwas wirklich Sicheres zu sagen.«
Ich bat sie, mich sofort anzurufen, wenn sie während der Nacht Sorgen hätte, sonst würde ich morgen wieder nach ihrem Mann sehen.
»Es tut mir leid«, verabschiedete ich mich an der Tür, um sie zu beruhigen.
Mrs. Barker lächelte. »Der Wille des Herrn geschehe«, sagte sie. Und als ich den dunklen Gartenweg entlangstolperte, wurde mir klar, daß sie mich beruhigt hatte.
Auf meinem Rückweg fuhr ich noch zu Mrs. Calthorpe und machte außerdem zwei weitere Besuche, die für die Abendsprechstunde angemeldet waren.
Als ich heimkam, lag Sylvia schon im Bett, hatte aber noch gelesen. Während ich mich auszog, berichtete ich ihr von Reverend Barker. Sie war an unseren Patienten immer persönlich interessiert, und ich hielt sie gern auf dem laufenden, damit sie während meiner Abwesenheit die Telefonanrufe beantworten und, da sie den Fall kannte, die Dringlichkeit beurteilen konnte.
»Ist er immer noch so zufrieden mit allem?« fragte Sylvia.
»Wieso?«
»Was das Sterben anbetrifft?«
»Er war zu krank. Aber seine Frau denkt genauso.«
»Sind die nicht glücklich? Ich bekomme dabei ein ganz schlechtes Gewissen.«
Ich gähnte und ging ins Bett, nachdem ich mich überzeugt hatte, daß meine Taschenlampe und meine Strickjacke für eventuelle Nachtbesuche griffbereit lagen.
»Ja. Ich bin neugierig, was für Pläne du in deinem hübschen kleinen Kopf herumgewälzt hast.«
Ich legte mich genießerisch auf das Kissen zurück.
»Nun, zuerst einmal...« begann Sylvia wieder. Da klopfte es an der Tür.
»Ja?«
Der Drücker ging einige Male auf und ab, dann öffnete sich langsam die Tür. Ein kleiner Kopf erschien, das kurze, dunkle Haar zerzaust, das Gesicht verschlaf en.
»Daddy?«
»Was gibt’s?«
Ungewiß über den Empfang, trottete er zum Bett herüber. »Penny’s durstis!«
»Na, und?«
Er blickte mich erstaunt an. »Sie möste trinken.«
Es war eine seltsame Sache mit den Zwillingen, sie führten immer gegenseitig ihre Aufträge aus. Wenn Penny durstig war, mußte Peter es bestellen. Wenn Peter ein Loch in seinem Bettuch entdeckte, mußte Penny die schreckliche Nachricht übermitteln. Es war eine Art Schutzgesellschaft auf Gegenseitigkeit, und sie waren vermutlich der Ansicht, daß es ihren Anliegen mehr Gewicht verleihen würde, wenn sie von der anderen Hälfte der Partnerschaft verkündet wurden.
Ich stillte Pennys Durst, der wie gewöhnlich nur ein Vorwand für den Wunsch nach einer kameradschaftlichen Unterhaltung in den stillen Stunden der langen Nacht gewesen war, und nahm den Kontakt mit meinem Kopfkissen wieder auf.
»Nun...«, begann Sylvia wieder, kam aber nicht weiter -diesmal war es das Telefon.
»Ich nehme an, daß ich nach Essex zurückfahren muß«, seufzte ich bedrückt, da ich annahm, daß Mrs. Barker anrief, um zu sagen, daß es ihrem Mann schlimmer ginge.
Sie war es aber nicht; es war Faraday, mein Freund, Kollege und Trauzeuge auf meiner Hochzeit. Er stotterte wie ein Idiot.
Sylvia, neugierig wie gewöhnlich, lehnte sich über meine Schulter. »Wovon spricht er?«
»Das habe ich noch nicht ’rausbekommen. Er ist in einem Stadium von akutem Wahnsinn, oder er ist betrunken. Ich glaube, er redet irgend etwas vom Heiraten.«
»Aber das ist ja wunderbar!« rief Sylvia aus. Wir hatten schon vor Jahren versucht, Faraday zu verheiraten.
Aber es war gar nicht Faraday, der sich verheiraten wollte. Nachdem er sich ein wenig beruhigt hatte, erzählte er mir, daß er gerade eben erfahren hätte, daß sein Chefarzt am Krankenhaus, ein älterer
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