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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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Schließlich trat Marina verlegen einen Schritt zurück und schlug die Augen nieder. Alexander legte lächelnd den Arm um Dascha. »Endlich lerne ich deine Kusine einmal persönlich kennen, Dascha«, sagte er. Marina hatte es die Sprache verschlagen. Später in der Küche erkundigte sich Marina: »Tania, warum hat mich Alexander eigentlich so angesehen, als würde er mich kennen?«
    »Ich habe keine Ahnung.« »Er ist hinreißend!«
    »Findest du?«, fragte Dascha, die an den Mädchen vorbei ins Badezimmer eilte. »Lass bloß die Finger von ihm!«, fügte sie fröhlich hinzu. »Er gehört mir.«
    »Findest du ihn nicht auch umwerfend?«, flüsterte Marina Tatiana zu.
    »Er ist ganz nett«, entgegnete Tatiana. »Hilfst du mir bitte, die Pfanne zu spülen?«
    Währenddessen stand Alexander in der Tür, rauchte und grinste Tatiana an.
    Papa war noch immer ungehalten über den Familienzuwachs. Marinas Studentenrationen waren so gering, dass sie davon kaum satt werden würde. Letztlich würden sie Marina mit durchfüttern müssen.

    Am nächsten Tag, dem 8. September, war es schon früh am Morgen unruhig in der Stadt. Im Radio wurde ständig Fliegeralarm gemeldet. Die deutschen Flugzeuge zogen hoch über der Stadt ihre Kreise.
    Bei der Arbeit packte Vera plötzlich Tatianas Hand und rief: »Hörst du den Lärm?«
    Die beiden liefen zum Haupteingang des Krankenhauses am Ligowskij Prospekt. Man vernahm ein fernes Donnern. Es schien nicht näher zu kommen, jedoch wurde es immer häufiger. Ruhig sagte Tatiana zu Vera: »Veruschka, das sind nur die Mörser. Sie machen das Geräusch, wenn sie die Granaten abschießen.« »Granaten?«
    »Ja. Sie stellen diese Maschinen auf die Erde ... wie es funktioniert, weiß ich auch nicht genau. Jedenfalls feuert man damit alle Arten von Bomben ab. Die Splitterbomben sind die schlimmsten«, erklärte Tatiana. »Aber die Deutschen haben auch diese ganz kleinen Bomben, von denen Hunderte auf einmal abgefeuert werden.«
    Vera blickte Tatiana erstaunt an. Tatiana zuckte mit den Schultern. »Luga ...«, sagte sie knapp. »Sag mal, kannst du mir nicht mein Bein absägen?«
    Sie gingen wieder hinein. »Vielleicht sollte ich dir einfach nur den Gips entfernen. Ich glaube, es wäre übertrieben, dir gleich das ganze Bein abzusägen.« Vera zwinkerte Tatiana fröhlich Zum ersten Mal seit über sechs Wochen sah Tatiana ihr Bein. Sie hätte ihre Wade gern ein wenig ausführlicher betrachtet, aber sie registrierte plötzlich, dass alle Krankenschwestern hektisch nach oben liefen. Tatiana humpelte hinter ihnen her. Ihr Bein schmerzte furchtbar, wenn sie es belastete. Vom Dach aus konnte sie verfolgen, wie zwei Formationen mit je acht Flugzeugen über ihre Köpfe hin wegflogen. Am anderen Ende der Stadt gab es Detonationen, gefolgt von Feuer und schwarzem Rauch. Jetzt ist es so weit, dachte Tatiana. Die Deutschen bombardieren Leningrad!
    In der Luft lag ein bitterer, beißender Geruch. »Ich gehe nach Hause zu meiner Familie!«, rief sie Vera zu. Am Nachmittag erfuhr sie, was es mit dem Geruch auf sich hatte. Die Badajew-Lagerhäuser, die Leningrad mit Lebensmitteln versorgten, waren von den Deutschen bombardiert worden. Der beißende Gestank war durch den brennenden Zucker verursacht worden.
    »Papa, was passiert jetzt mit Leningrad?«, fragte Tatiana, während sie ernst am Esstisch saßen.
    Darauf wusste Papa auch keine Antwort. »Vermutlich geschieht mit uns nun das Gleiche, was mit Pascha passiert ist.« Mama begann zu weinen. »Rede nicht so!«, flehte sie. »Du machst den Kindern Angst.«
    Die Luftangriffe dauerten bis in den späten Nachmittag. Als sie vorbei waren, kam Anton zu Besuch und stieg mit Tatiana aufs Dach hinauf.
    Alexander hatte Recht, dachte sie. Alles, was er vorausgesagt hat, ist eingetroffen. Ihr Herz machte einen Sprung bei dem Gedanken an ihn und sie nahm sich vor, von nun an jeden seiner Ratschläge zu beherzigen.
    Beim Anblick des dichten, schwarzen Rauchs über Leningrad hatte Tatiana so etwas wie eine düstere Vorahnung bezüglich der Zukunft ihrer Familie.
    Ihr kam nämlich plötzlich in den Sinn, was Alexander noch prophezeit hatte: dass auf den Straßen der Stadt ein Kampf auf Leben und Tod stattfinden würde.
    Anton zupfte an ihrem Ärmel. »Tania!«, rief er. »Weißt du was? Ich habe gestern mit dieser Konstruktion ganz viele Funken ausgeschlagen!« Er wies auf den Stock in seiner Hand, an dessen unterem Ende etwas befestigt war, das wie ein Soldatenhelm aussah.
    Anton

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