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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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Arm loszulassen, fügte er hinzu: »Bitte.«
    Tatiana stellte die Tasse wieder auf den Tisch. »Tania«, fuhr Alexander fort und sah sie eindringlich an, »weißt du nicht, was die Deutschen in Luga gemacht haben? Du warst doch da, hast du es denn nicht gesehen? Sie haben diese Flugblätter abgeworfen und die Freiwilligen, die Frauen und Mädchen, die Gräben ausgehoben haben, haben weiße Kleider und weiße Tücher angezogen und dann haben sie sie alle niedergemäht, weil sie sie von oben so gut sehen konnten ...« Tatiana zog ihren Arm weg.
    »Jetzt geh dich umziehen. Zieh irgendetwas Braunes und Warmes an.« Alexander stand auf. »Ich mache mir selbst neuen Tee.« Dann blickte er Dascha an und fügte kalt hinzu: »Und, Dascha, tu mir einen Gefallen ... glaube nie, ich könnte deiner Schwester wehtun.«
    »Kannst du bleiben?«, fragte Dascha.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich muss um neun in der Kaserne sein.«
    Es gab Suppe mit ein paar Kohlblättern, Schwarzbrot, das so schwer wie ein Stein war, ein paar Teelöffel Buchweizengrütze und ungesüßten Tee. Alexander bekam einen Schluck von ihrem kostbaren Wodka. Er ging in den Keller, um Holz zu holen, und entfachte ein schönes Feuer. Es wurde warm im Zimmer.
    Alexander saß am Tisch zwischen Dascha und Mama. Marina stand hinter ihm und Babuschka lag auf dem Sofa. Tatiana saß in einer Ecke und blickte in ihren dünnen Tee. Alle waren um Alexander herum, nur sie nicht.
    »Mein Lieber, es muss so schwer für dich sein, an der Front zu sein und dabei zu hungern«, sagte Mama. »Irina Fedorowna«, erwiderte Alexander, »ich muss Ihnen gestehen, dass ich an der Front überhaupt nicht ans Essen denke.«
    Mama rieb seinen Arm. »Können Sie meine Mädchen irgendwie aus Leningrad herausbringen? Wir haben fast gar keine Vorräte mehr.«
    Alexander schüttelte den Kopf. »Das ist unmöglich. Ich bin unten an der Newa und wir bombardieren die Stellungen der Deutschen in Schlüsselburg.« Ein Schauer lief ihm über den Rücken. »Die Kämpfe hören nicht auf. Außerdem ist der See noch nicht zugefroren, und die Boote ... Es gibt ungefähr noch zwei Millionen Zivilisten in Leningrad und nur ein paar tausend sind mit Booten evakuiert worden, hauptsächlich Mütter mit Kindern.«
    »Wir sind doch auch Kinder mit Müttern«, warf Dascha ein. »Kleine Kinder«, verbesserte Alexander sich. »Ihr arbeitet doch alle - warum sollten man euch gehen lassen? Sie und Dascha machen Uniformen für die Armee«, sagte er zu Mama und tätschelte ihr den Arm. »Tania arbeitet im Krankenhaus. Wie geht es dir da, Tania?« Er blickte sie an. Tatiana zuckte mit den Schultern. »Heute habe ich zweiundvierzig Säcke genäht. Aber es waren immer noch nicht genug -achtundsiebzig Personen sind gestorben. Mama, ich wünschte, ich könnte dir eine Nähmaschine besorgen.« Mama warf Babuschka einen finsteren Blick zu. Ihre Mutter verteidigte sich. »Die Kartoffeln, die ich mitgebracht habe, hast du aber immer gern gegessen, Tochter. Jetzt kann ich dir nichts mehr bringen.«
    »Morgen bringe ich euch Kartoffeln aus dem Armeeladen mit«, sagte Alexander. »Und ein bisschen weißes Mehl. Ich versuche, alles zu besorgen, was ich kann. Nur fortbringen kann ich euch nicht. Habt ihr von dem Kanonenboot Konstruktor gehört? Es ist mit Frauen und Kindern an Bord über den Ladogasee gefahren und wurde bombardiert. Der ersten Bombe konnte der Kapitän noch ausweichen, aber bei der zweiten sank sein Schiff und alle zweihundertfünfzig Menschen an Bord sind ertrunken.«
    Dascha erklärte: »Ich versuche lieber, hier in Leningrad zu überleben, als so im kalten Wasser umzukommen.« »Gibt es hier irgendwelche Neuigkeiten?«, fragte Alexander. Ohne ihn anzublicken, erzählte Tatiana: »Anton ist letzte Woche gestorben.«
    »Ja«, sagte Dascha. »Vielleicht hört Nina jetzt auf, uns um Essen anzubetteln.«
    »Es tut mir Leid, dass Anton tot ist«, sagte Alexander. »Aber du gibst doch keine Lebensmittel weg, oder?« Tatiana antwortete nicht. »Hast du etwas von Dimitri gehört?«, fragte sie schließlich, um das Thema zu wechseln. »Wir nicht.«
    Alexander schüttelte den Kopf. »Dimitri ist noch im Krankenhaus und kämpft um sein Leben. Er hat sicher nicht die Kraft, um zu schreiben.« Er warf Tatiana einen Blick zu. Als die Sirenen heulten, blickte Alexander sich um. Niemand rührte sich. »Geht überhaupt noch jemand in den Luftschutzkeller oder hat Tatiana euch alle angesteckt?«, fragte er. Dascha zog ihre Strickjacke

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