Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
Vom Netzwerk:
nicht hier verschwunden ist.«
    Alexander trug Tatiana nach draußen und ging dann noch einmal in die Hütte, um die Teller zu holen. Sie aßen einträchtig nebeneinander auf der Bank. Nach einer Weile fragte Alexander: »Sag mal, Tania, hast du wirklich Angst vor Mäusen?« »Ja. Hast du sie getötet?«
    »Wie soll ich es denn deiner Meinung nach tun? Du hast mir nie gesagt, dass du dich vor Mäusen fürchtest.« »Du hast mich ja auch nie danach gefragt. Tja, wie sollst du es tun? Du bist doch hier der Hauptmann der Roten Armee. Was bringen sie euch denn da bei?« »Menschen umzubringen, nicht Mäuse.« Tatiana rührte ihr Frühstück kaum an. »Na ja, wirf eine Granate auf sie, oder nimm dein Gewehr. Ich weiß nicht. Aber tu irgendetwas!«
    Alexander schüttelte den Kopf. »Du bist durch die Straßen in Leningrad gegangen, während die Deutschen Fünfhundertkilo-Bomben abgeworfen haben, die den Frauen vor dir in der Schlange Arme und Beine abgerissen haben. Du hast furchtlos vor Dieben gestanden, du bist von einem fahrenden Zug abgesprungen, um deinen Bruder zu finden, aber du hast Angst vor Mäusen?«
    »Ja, genau«, erwiderte Tatiana spröde.
    »Es ergibt einfach keinen Sinn«, sagte Alexander. »Wenn jemand in großen Dingen furchtlos ist...« »Du irrst dich. Sonst noch Fragen? Ich habe nämlich langsam ...«
    »Nur noch eins.« Alexander bewahrte nur mühsam die Fassung. »Es sieht so aus, als hätten wir jetzt schon drei Verwendungszwecke für diese viel zu hohe Kiste, die ich gestern gebaut habe.« Er brach in lautes Gelächter aus. »Lach du nur«, entgegnete Tatiana. »Tu dir keinen Zwang an. Ich bin ja schließlich zu deiner Erheiterung da.« Ihre Augen funkelten.
    Alexander stellte seinen Teller auf die Bank, nahm ihr ebenfalls den Teller aus der Hand und zog sie an sich, »Tania, weißt du eigentlich, wie komisch du bist?« Er küsste sie auf die Brust. »Ich bete dich an.«
    »Wenn du mich wirklich anbeten würdest«, erwiderte sie und versuchte, sich aus seinen Armen zu winden, »dann würdest du nicht hier herumsitzen und mit mir schäkern, sondern endlich das Ungeziefer aus der Hütte vertreiben.« Nachdem Alexander im Haus verschwunden war, beendete Tatiana lächelnd ihr Frühstück. Nach ein paar Minuten kam er wieder heraus. Die tote Maus baumelte an der Spitze seines Bajonetts.
    »Na, wie habe ich das gemacht?«, fragte er stolz. Tatiana gelang es nicht, ernst zu bleiben. »Sehr gut, sehr gut«, erwiderte sie. »Aber du hättest deine Trophäe nicht mit herauszubringen brauchen.«
    »Oh, ich fürchtete nur, du glaubst mir meinen Erfolg nicht, ehe du die tote Maus nicht mit eigenen Augen gesehen hast...« »Verschwinde mit dem Ding!«

    Sie saßen auf ihrem Felsen und angelten. Das heißt, sie versuchten zu angeln. Tatiana hielt zwar ihre Angelrute ins Wasser, aber Alexander hatte seine beiseite gelegt und streichelte ihren bloßen Rücken. Seit sie sich ein neues blaues Baumwollkleid genäht hatte, das rückenfrei war, konnte Alexander sich nicht mehr auf die alltäglichen Pflichten konzentrieren. »Shura, bitte, wir haben noch nichts gefangen. Ich will nicht, dass Naira Michailowna hungrig zu Bett gehen muss, weil wir noch nicht einmal einen einzigen Fisch für sie aus dem Wasser ziehen.« Tatiana seufzte und blickte lächelnd über den glitzernden Fluss. »Du hast doch gesagt, du wolltest mir etwas vorlesen. Du hast doch extra den Puschkin mitgenommen. Lies mir aus dem Ehernen Retter vor.« »Ich würde lieber ...« »Lies. Dann jage und sammle ich eben.« Alexander küsste sie auf den Rücken. »Leg die Angel weg. Ich kann es nicht mehr aushalten.«
    »Es ist fast sechs Uhr abends, und wir haben noch nichts zum Abendessen.«
    »Komm schon«, sagte er und nahm ihr die Angelrute aus der Hand. »Wann hättest du mich schon jemals abweisen können?« Alexander legte sich auf den Rücken. »Zieh dein Kleid hoch und setz dich auf mich.« Er stöhnte leise und fuhr fort: »Nein, nicht so. Dreh dich um, mit dem Gesicht zum Fluss.« »Mit dem Rücken zu dir?«
    »Ja«, sagte Alexander und schloss die Augen. »Ich möchte deinen Rücken sehen, wenn du auf mir sitzt.« Hinterher sagte Tatiana entspannt und fast unhörbar: »Vielleicht hätte ich weiterangeln sollen. Ich sitze ja schon in der richtigen Richtung.«
    Alexander strich sanft über ihren Rücken und erwiderte nichts. Tatiana stand auf. »Willst du mich küssen?«, fragte sie. Er lag mit geschlossenen Augen da. »Ja.« Aber er rührte sich

Weitere Kostenlose Bücher