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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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hatte, aber sie konnte es nicht ertragen, den Namen ihres Mannes in seiner Gegenwart auszusprechen. »Das mit deiner Schwester tut mir Leid«, erklärte Dimitri. »Meine Eltern sind auch gestorben. Ich weiß also, wie du dich fühlst.« Er schwieg. »Wie bist du nach Leningrad zurückgekommen?«, fragte er dann. Tatiana erzählte es ihm.
    Aber sie wollte nicht von sich reden. Sie wollte sich gar nicht mit ihm unterhalten. Wo war Dascha, wo war Alexander, wo waren Mama und Papa, damit sie nicht mit Dimitri allein sein musste?
    Tatiana holte tief Luft und fragte ihn, warum er so schlecht aussähe.
    »Ich bin Bote. Weißt du, was das ist?«
    Tatiana wusste es zwar, schüttelte aber trotzdem den Kopf.
    Wenn er über sich redete, stellte er ihr wenigstens keine Fragen. »Ich bekomme Nachschubmaterial für die Front und für die hinteren Einheiten von Lastwagen, Flugzeugen und Schiffen und verteile es überall...« »Wo? Hier in Leningrad?«, fragte sie, »Ja, hier und an verschiedenen Stellen auf dieser Seite der Newa. Und auch auf der karelischen Seite in der Nähe von Finnland.« Dimitri warf ihr einen Seitenblick zu und sagte: »Verstehst du jetzt, warum ich so unglücklich bin?« »Natürlich«, erwiderte Tatiana. »Der Krieg ist gefährlich, und du möchtest nichts damit zu tun haben.« »Ich möchte nicht mehr in diesem Land sein«, murmelte Dimitri kaum hörbar.
    »Hast du gesagt, du lieferst die Waren bis zur finnischen Front?«, fragte sie.
    »Ja, zu den Grenztruppen an der karelischen Meerenge oder auch zu unseren Hauptquartieren für die Operationen an der Newa in Morosowo. Dort steht das Kommando, während wir ...«
    »Wo genau an der karelischen Meerenge?«
    »Ich weiß nicht, ob du jemals von einem Ort namens Lisiy Nos gehört hast...«
    »Doch«, erwiderte Tatiana und umklammerte die Sofalehne. »Ach was!« Dimitri lächelte. »Ich bringe auch Waren von Quartier zu Quartier. Weißt du, ich beliefere sogar die Generäle!«, sagte er und zog viel sagend die Augenbrauen hoch. »Ach ja?« Sie hörte ihm kaum zu. »Ist denn ein interessanter General dabei?«
    Dimitri senkte die Stimme. »Ich stehe auf sehr gutem Fuß mit General Mechlis.« Er lachte zufrieden. »Ich bringe ihm Papier, Stifte und alles, was ich außer der Reihe bekomme - wenn du weißt, was ich meine. Er braucht mich nie zu bezahlen. Zigaretten, Wodka, alles geht zu ihm. Er freut sich immer schon sehr auf meine Besuche.«
    »Oh?«, sagte Tatiana. Sie hatte keine Ahnung, wer Mechlis war. »Mechlis ... was für eine Armee befehligt er?« »Machst du Witze, Tania?« »Nein. Warum sollte ich«, erwiderte sie erschöpft.
    Flüsternd antwortete Dimitri: »Mechlis kommandiert die NKWD-Armee!« Noch leiser fügte er hinzu: »Er ist Berijas rechte Hand!« Lawrenti Berija war Stalins Volkskommissar und Oberbefehlshaber des NKWD.
    Früher einmal hatte Tatiana sich vor Bomben und Hunger und dem Tod gefürchtet. Und noch früher hatte sie sich davor gefürchtet, sich im Wald zu verirren. Und sie hatte sich vor Menschen gefürchtet, die ihr etwas antun wollten. Aber heute Abend hatte Tatiana keine Angst um sich. Als sie Dimitris verschlagenes Gesicht betrachtete, hatte sie Angst um Alexander. Vor dem heutigen Abend hatte sie von Zeit zu Zeit Gewissensbisse verspürt, weil sie trotz des Versprechens, das sie ihrem Mann gegeben hatte, aus Lazarewo weggegangen war. Aber jetzt war sie überzeugt davon, dass Alexander sie mehr brauchte, als er es selbst für möglich hielt.
    Jemand musste Alexander beschützen, und zwar nicht vor einem zufälligen Tod, sondern vor bewusster, absichtlicher Vernichtung.
    Nachdenklich musterte sie Dimitri, als er auf einmal näher rückte. »Was willst du?«
    »Du bist wirklich kein Kind mehr, Tania«, sagte Dimitri. Tatiana verzog keine Miene.
    »Inga und Stanislaw haben mir gesagt, du wärst immer so lange fort, dass sie annehmen, du triffst dich noch mit einem Arzt aus dem Krankenhaus. Stimmt das?«
    »Wenn Inga und Stanislaw es dir erzählt haben, dann wird es wohl auch stimmen«, erwiderte Tatiana sarkastisch. »Kommunisten lügen schließlich nie, Dimitri.« Nickend rückte Dimitri noch näher.
    »Was soll das?« Tatiana stand auf. »Hör mal, es ist schon spät.«
    »Ach, Tania, komm. Du bist einsam. Ich bin einsam. Ich hasse mein Leben, ich hasse jede einzelne Minute. Geht es dir manchmal auch so?«
    Nur heute Abend, dachte Tatiana. »Nein, Dima. Mir geht es gut. Alles in allem habe ich ein schönes Leben. Ich arbeite, im

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