Die Liebenden von Leningrad
dich nicht in Frage.«
»Tania, bitte ...«, flüsterte Alexander. »Und was willst du machen, wenn Mechlis dich auch verhaften lässt?« »Dann werde ich mich meinem Schicksal fügen. Letztendlich wird der Kommunismus scheitern ...« »Bist du dir da sicher?« »Ja. Und dann werden sie mich freilassen.« »Oh Gott«, flüsterte Alexander. »Es geht doch gar nicht mehr nur um dich. Du musst auch an unser Kind denken.« »Was redest du denn da? Dr. Sayers nimmt mich ohne dich nicht mit. Ich habe allein keinen Anspruch auf eine Einreisegenehmigung für Amerika. Alexander, ich würde dir überallhin folgen. Auch in die Mongolei oder in die Wüste Gobi. Aber wenn du hier bleibst, dann bleibe ich auch hier. Ich lasse den Vater meines Kindes nicht in der Sowjetunion zurück!«
Und dann kam Dimitri eines kalten Morgens und hielt Alexanders Rucksack in der Hand. Er hatte einen Arm verbunden und zog sein rechtes Bein nach. Er humpelte auf Alexander zu und reichte ihm den Rucksack. »Ach, ist er endlich gefunden worden«, sagte Alexander. »Und was ist mit deinem Arm passiert?« »Kannst du dir das nicht denken? Ein paar Kerle ... ach, Ich weiß nicht, sie waren einfach ... nun, sagen wir verärgert. Sieh dir mein Gesicht an. Sie haben behauptet, ich verlange zu viel für die Zigaretten. Nehmt sie, habe ich gesagt, nehmt sie alle. Aber sie haben mich trotzdem zusammengeschlagen.« Dimitri verzog höhnisch das Gesicht. »Na, sie werden nicht lange lachen.« Er zog sich einen Stuhl ans Bett. »Tatiana hat großartige Arbeit geleistet. Sie hat mir gleich den Arm verbunden.« Bei dem Unterton in Dimitris Stimme zog sich Alexanders Magen zusammen. »Sie ist fantastisch, nicht wahr?« »Ja«, erwiderte Alexander. »Sie ist eine gute Krankenschwester.«
»Eine gute Krankenschwester, eine gute Frau, eine gute ...« Dimitri brach ab.
»Danke für meinen Rucksack«, sagte Alexander mit unbeweglicher Miene.
»Oh, keine Ursache.« Dimitri stand auf, als wolle er gehen, überlegte es sich dann aber anders und setzte sich wieder. »Ich wollte mich vergewissern, dass du alles Nötige darin hast, deine Bücher, Papier und Stifte. Wie sich herausstellte, war kein Papier und auch nichts zum Schreiben darin. Ich hab etwas hineingelegt. Ich meine ja nur, falls du Briefe schreiben willst.« Er lächelte freundlich. »Ich habe auch ein paar Zigaretten und neue Streichhölzer dazugetan.«
Alexander blickte ihn finster an. »Du hast meine Sachen durchwühlt? «
»Oh, ich wollte dir nur helfen.« Wieder tat Dimitri so, als wolle er gehen. »Aber weißt du ... Ich habe etwas sehr Interessantes gefunden.«
Alexander wandte sich ab. Tatianas Briefe hatte er nach langem Zögern verbrannt. Aber etwas konnte er nicht verbrennen. Das musste er bei sich behalten. »Dimitri«, erwiderte er kalt und verschränkte die Arme über der Brust, »was willst du?« Dimitri griff nach dem Rucksack, machte die Seitenklappe auf und zog Tatianas weißes Kleid mit den roten Rosen heraus. »Sieh mal, was ich ganz unten gefunden habe.« »Und?«, erwiderte Alexander ruhig.
»Wie, und? Ach, du hast natürlich Recht. Es ist ganz normal, dass du ein Kleid von der Schwester deiner toten Verlobten mit dir herumschleppst.«
»Überrascht dich das, Dimitri? Nun, so groß kann die Überraschung doch nicht gewesen sein«, erwiderte Alexander scharf. »Du hast ja schließlich mein persönliches Eigentum genau deshalb durchsucht.«
»Also - ja und nein«, sagte Dimitri herzlich. »Ich war schon ein bisschen überrascht, muss ich zugeben. Ein wenig ... abgestoßen. «
»Wieso abgestoßen?«
»Na ja, ich dachte, das ist ja interessant! Ein Kleid, Tatiana ist hier und arbeitet mit einem Rotkreuzarzt zusammen und im gleichen Lazarett liegt Alexander. Ich hatte den Verdacht, dass das kein Zufall sein konnte. Ich habe schließlich immer schon angenommen, dass ihr etwas füreinander empfindet.« Er blickte Alexander an. »Von Anfang an. Also ging ich zu Oberst Stepanow, der sich noch an mich erinnerte und sehr freundlich zu mir war. Ich mag diesen Mann wirklich sehr gern. Ich sagte ihm, ich würde dir gern deinen Sold bringen, damit du dir Tabak und Butter und Wodka kaufen kannst. Er schickte mich zur Zahlstelle und da gaben sie mir fünfhundert Rubel, und als ich meiner Verwunderung Ausdruck verlieh, dass du als Major nur fünfhundert Rubel bekommst, weißt du, was sie da zu mir gesagt haben?«
Alexander knirschte mit den Zähnen. »Und, was haben sie dir gesagt?«
»Dass du
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