Die Liebenden von Leningrad
das übrige Geld an Tatiana Metanowa in der Fünften Sowjet schickst.« »Ja, stimmt.«
»Ja, sicher, warum auch nicht? Ich ging also zurück zu Oberst Stepanow und sagte: >Oberst, ist es nicht fantastisch, dass unser Alexander endlich ein nettes Mädchen wie Schwester Metanowa gefunden hat<, und der Oberst erwiderte, er sei ja selbst überrascht gewesen, dass du in deinem Sommerurlaub in Molotow geheiratet hast, ohne jemandem etwas davon zu erzählen.« Alexander schwieg.
»Ja!«, rief Dimitri fröhlich aus. »Ich sagte, das sei auch für mich eine Überraschung, weil ich doch dein, bester Freund sei und selbst ich hätte nichts davon gewusst, und der Oberst meinte, nun, du seiest eben besonders verschwiegen, und ich erwiderte: »Richtig, Oberst, Sie haben ja keine Ahnung, wie verschwiegen er ist.<«
Dimitri stand auf. »Ich finde es jedenfalls großartig. Ich wollte dir nur gratulieren. Ich gehe jetzt zu Tania und gratuliere ihr auch.«
Später an diesem Nachmittag kam Tatiana zu Alexander. Nachdem er gegessen hatte, holte sie warmes Wasser und Seife. »Tania, du sollst doch nicht so schwer tragen«, sagte er zu ihr. »Hör auf«, erwiderte sie lächelnd. »Ich trage dein Kind. Glaubst du, dann ist ein Wassereimer zu schwer für mich?« Während sie ihn wusch und rasierte, schloss er die Augen, damit sie den besorgten Ausdruck darin nicht sah. Schließlich streichelte sie ihm übers Gesicht und seufzte.
»Shura«, sagte sie bedrückt, »Dimitri war heute bei mir. Er war ... Er hat mir erzählt, dass er von dir weiß, dass wir verheiratet sind, und dass er sich für uns freuen würde ...« Wieder seufzte sie. »Wahrscheinlich hätte er es früher oder später sowieso herausgefunden.«
»Das stimmt, Tatiana«, erwiderte Alexander. »Wir haben es vor Dimitri so gut geheim gehalten, wie wir konnten.« »Ich mag mich ja irren, aber er kam mir entspannter vor als sonst. Als ob ihm unsere Verbindung wirklich nichts mehr ausmachen würde. Was meinst du?«
Glaubst du wirklich, dass der Krieg ihn zu einem menschlicheren Wesen gemacht hat?, hätte Alexander sie am liebsten gefragt. Stattdessen erwiderte er leise: »Wahrscheinlich hast du Recht. Unsere Beziehung macht ihm nichts mehr aus.« Tatiana räusperte sich und fuhr mit dem Finger über Alexanders glatt rasierte Wange. »Glaubst du, du kannst bald aufstehen?«, flüsterte sie. »Ich will dich ja nicht drängen, aber ich habe gestern gesehen, dass du versucht hast zu laufen. Es tut dir immer noch weh, nicht wahr? Aber dein Rücken heilt gut, Shura. Und wenn du glaubst, dass du so weit bist, dann fahren wir. Und wir brauchen Dimitri nie wieder zu sehen.« Bevor Alexander etwas erwidern konnte, fuhr Tatiana fort: »Shura, mach dir keine Sorgen. Ich durchschaue Dimitri.« »Sei vorsichtig in Bezug auf ihn, ja? Und erzähl ihm nichts.« »Nein, ich werde ihm nichts erzählen.«
Am nächsten Tag kam Dimitri abermals zu Alexander. Er ging nur mühsam und stützte sich auf einen Stock. »Alexander, ich muss mit dir reden. Bist du kräftig genug, um mir zuzuhören?« »Ja, Dimitri«, erwiderte Alexander, der es kaum ertragen konnte, ihn anzusehen.
»Ich bin wirklich glücklich, dass du und Tania verheiratet seid. Ehrlich, ich freue mich darüber. Aber ich glaube, es gibt etwas, was wir noch nicht miteinander geklärt haben. Ich weiß, dass ihr zwei etwas plant. Ich weiß es einfach, ich spüre es. Ich habe versucht, mit ihr darüber zu reden, aber sie erwidert nur, sie wisse nicht, was ich meine. Aber ich weiß es doch!« Dimitri klang aufgeregt. »Ich kenne dich, Alexander Barrington, und deshalb frage ich mich, ob in euren Plänen vielleicht auch für mich ein Plätzchen ist.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, erwiderte Alexander. »Dimitri, wir haben keine Pläne.«
»Hmm. Nun ... Weißt du, mir ist auf einmal so vieles klar geworden.« Dimitri lächelte verschlagen. »Du willst sicher wegen Tatiana so schnell wieder gesund werden. Willst du mit ihr weglaufen? Na ja, ich mache dir keinen Vorwurf daraus.« Er räusperte sich. »Aber unter den Umständen sollten wir alle zusammen abhauen.«
»Wir haben keine Pläne«, wiederholte Alexander. »Aber wenn sich etwas ändern sollte, lasse ich es dich wissen.«
Eine Stunde später kam Dimitri schon wieder angehumpelt, dieses Mal mit Tatiana im Schlepptau. Er drückte sie auf den Stuhl und stützte sich auf die Rückenlehne. »Tania, du musst deinem verwundeten Mann Verstand beibringen«, sagte Dimitri zu ihr.
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