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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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tun«, sagte Harold, »es ist unmenschlich.«
    »Ihr Sohn wird Sie nicht besuchen«, entgegnete Slonko. »Ihr Sohn ist tot.«
    Sprachlos saß Tatiana neben Alexander und streichelte ihm mit beiden Händen über die Arme. »Es tut mir so Leid«, flüsterte sie. Am liebsten hätte sie sein Gesicht berührt, aber das wagte sie nicht. »Alexander, hörst du mich? Es tut mir so furchtbar Leid.«
    »Ich habe es gehört.« Er lächelte. »Es ist schon gut, Tania«, sagte er und stand auf. »Meine Eltern sind tot, aber ich lebe noch. Das ist doch wenigstens etwas.«
    Sie konnte sich nicht bewegen. »Warte, Alexander, warte. Wieso hast du denn aus >Barrington< >Below< gemacht? Und was ist mit deinem Vater geschehen? Hast du deine Eltern wirklich nie wiedergesehen?«
    Alexander blickte auf seine Uhr. »Die Zeit verfliegt immer, wenn ich mit dir zusammen bin«, murmelte er. »Ich muss mich beeilen. Das alles sparen wir uns für einen anderen Tag auf.« Er reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen. Ihr Herz machte einen Sprung. Dann würde es also einen anderen Tag geben? Langsam verließen sie den Park. »Hast du Dascha jemals davon erzählt?«, fragte Tatiana. »Nein, Tatiana«, antwortete Alexander, ohne sie anzusehen. »Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast«, sagte sie. »Ja, ich auch.«
    »Versprichst du mir, dass du mir eines Tages auch noch den Rest berichtest?«
    »Eines Tages, das verspreche ich dir.« Er lächelte.
    »Ich kann gar nicht glauben, dass du aus Amerika kommst, Alexander! Das ist für mich das erste Mal, dass ich jemanden aus Amerika kennen lerne.« Sie errötete, als sie das sagte. Er beugte sich vor und küsste sie sanft auf die Wange. Seine Lippen waren warm und seine Bartstoppeln kitzelten. »Pass auf, wenn du nach Hause gehst«, bat er. Tatiana nickte. Ihr tat das Herz weh, als er sich von ihr entfernte. Plötzlich drehte sich Alexander noch einmal um. Tatiana stand ganz unbeweglich da. Er winkte. Glühend wünschte sie sich, entspannter reagieren zu können, und gelobte sich, das noch zu lernen. Dann hob sie die Hand und winkte ebenfalls.

    Dascha war zu Hause auf dem Dach. Für jedes Gebäude waren schon Luftschutzhelfer bestimmt worden, die zunächst die Speicher leer räumen und dann vom Dach aus nach deutschen Flugzeugen Ausschau halten mussten.
    Dascha saß auf der Teerpappe, rauchte eine Zigarette und unterhielt sich laut mit den beiden jüngsten Iglenko-Brüdern, Anton und Kirill. Neben ihnen standen Eimer mit Wasser und schwere Sandsäcke.
    Als Dascha Tatiana entdeckte, stand sie auf und sagte: »Hör mal, ich muss weg. Kannst du das hier für mich übernehmen?« »Natürlich, Dascha. Anton wird mich schon beschützen.« Anton war Tatianas engster Freund.
    Dascha strich ihrer Schwester über das Haar. »Bleib nicht zu lange hier oben. Bist du müde? Du kommst jetzt immer erst so spät nach Hause. Warum besorgst du dir nicht eine Stelle bei Papa? Dann bist du in einer Viertelstunde hier.« »Mach dir keine Sorgen, Dasch. Mir geht es gut.« Tatiana lächelte, als müsse sie ihre Worte unterstreichen. Nachdem Dascha weg war, versuchte Anton Iglenko, Tatiana aufzuheitern, aber sie hatte keine Lust, sich mit jemandem zu unterhalten. Sie wollte nur für eine Weile nachdenken und sich darüber klar werden, was sie eigentlich empfand.
    Doch schließlich gab sie nach und spielte mit ihm das Geographiespiel. Sie legte sich die Hände über die Augen und Anton drehte sie im Kreis. Wenn er aufhörte, musste sie in eine Richtung zeigen und sagen, welches Land dort lag. Zum Beispiel Finnland, Krasnodar, Ural oder - Amerika. Anschließend war Anton an der Reihe.
    Sie benannten so viele Länder, wie ihnen einfielen, und als sie fertig waren, zählten sie ihre Punkte zusammen. Normalerweise hüpfte Tatiana, wenn sie gewonnen hatte, vor Freude auf und ab, doch an diesem Abend setzte sie sich nur schwerfällig hin. Sie konnte nur an Alexander und an Amerika denken. Anton, ein dünner, blonder Junge, sagte: »Schau doch nicht so finster. Im Grunde ist doch alles sehr aufregend.« »Ach ja?«, murmelte sie.
    »Ja! In zwei Jahren kann ich mich auch melden. Petka ist gestern schon gefahren.« »Wohin?«
    »An die Front.« Er lachte. »Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, Tania: Wir haben Krieg.«
    »Doch, es ist mir aufgefallen«, entgegnete Tania erschauernd. »Hast du etwas von Wolodja gehört?« Wolodja war mit Pascha in Tolmachewo ...
    »Nein. Kirill und ich wären am liebsten auch gefahren.

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