Die Liebenden von Leningrad
Tatiana an.
»Tania, lass uns spazieren gehen.« »Nein, Dima.«
»Doch. Alexander kann ja hier auf Dascha warten.« Dimitri lächelte. »Die beiden brauchen uns nicht. Sie würden bestimmt schrecklich gern allein sein. Habe ich Recht, Alexander?« »Da werden sie hier nicht viel Glück haben«, murmelte Tatiana. Zum Glück.
Alexander trat zum Fenster und blickte in den Hof. »Ich will wirklich nicht«, protestierte Tatiana. »Ich bin ...« Dimitri packte Tatiana am Arm. »Komm schon, Taneschka. Du hast doch schon gegessen, oder? Lass uns gehen. Wir kehren auch bald wieder zurück, ich verspreche es dir.« Tatiana blickte auf Alexanders gestraffte Schultern. Am liebsten hätte sie ihn in diesem Augenblick mit seinem Kosenamen angesprochen. »Alexander, sollen wir dir etwas mitbringen?«, fragte sie.
»Nein, Tania«, erwiderte er und blickte sie über die Schulter hinweg an. Einen Moment lang sah sie in seinen Augen, wie unglücklich er war, aber er hatte sich schnell wieder unter Kontrolle.
»Warum gehst du nicht zu den anderen? Babuschka hat Fleischpiroggen gemacht. Geh und iss welche. Es gibt auch Borschtsch.«
Dimitri zerrte Tatiana bereits den Flur hinunter. Sie stiegen über Slawin, der ruhig auf dem Boden lag. Es sah beinahe so aus, als kämen sie ohne Zwischenfall an ihm vorbei, doch dann packte er Tatiana am Knöchel.
Dimitri trat ihm grob auf das Handgelenk und Slawin schrie auf. Jammernd blickte er Tatiana an. »Bleib zu Hause, liebe Taneschka, es ist schon zu spät, um auszugehen. Bleib zu Hause!« Dimitri, der ihm fluchend noch einmal auf das Handgelenk trat, nahm er gar nicht zur Kenntnis. Auf der Straße bot Dimitri an, ihr ein Eis zu kaufen. Eigentlich wollte Tatiana keins, willigte dann aber doch ein. »Ja, gut. Vanille, bitte.« Unglücklich leckte sie an ihrer Eiscreme, während sie die Straße entlangschlenderten. Der Abend war warm und Tatiana hatte nur eins im Kopf.
»Woran denkst du?«
»An den Krieg«, log sie. »Und du?«
»An dich«, erwiderte er. »Ich habe noch nie jemanden wie dich kennen gelernt, Tania. Du bist ganz anders als die anderen Mädchen.«
Tania verzog das Gesicht und bedankte sich murmelnd. »Ich hoffe, Alexander isst etwas«, sagte sie. »Dascha kommt wahrscheinlich erst in einer Stunde nach Hause.« »Tania«, entgegnete Dimitri, »möchtest du wirklich darüber reden? Über Alexander?« Seine Stimme war kühl geworden. »Nein, natürlich nicht«, erwiderte sie hastig. »Ich wollte nur Konversation machen.« Rasch wechselte sie das Thema. »Was hast du heute getan?«
»Noch mehr Gräben ausgehoben. Die Frontlinie im Norden ist fast fertig. Nächste Woche sind wir für die Finnen bereit.« Er grinste. »Tania, du hast dich bestimmt gefragt, warum ich nicht auch Offizier bin wie Alexander.« Tatiana schwieg.
»Warum hast du noch nie davon angefangen?«
»Ich weiß nicht.« Ihr Herz schlug ein wenig schneller.
»Es kommt mir fast so vor, als wüsstest du es bereits.«
»Ich? Nein!« Am liebsten hätte sie den Rest ihrer Eiswaffel in den Abfalleimer geworfen.
»Hast du mit Alexander über mich gesprochen?«
»Nein«, antwortete sie.
»Warum hast du mich dann nicht gefragt, warum ich ein einfacher frontovik bin?«
Darauf hatte Tatiana keine Antwort. Es war ihr langsam zu dumm. Sie hasste es zu lügen, also schwieg sie lieber. »Alex und ich wollten ursprünglich beide Offizier werden.« Tatianas Hände begannen zu zittern. Sie wollte nicht abends allein mit Dimitri draußen sein. Sie fühlte sich nicht sicher. Sie hatten mittlerweile den Taurischen Garten erreicht. Obwohl der Park bereits im Dunkeln lag, waren es immer noch dreißig Grad.
»Möchtest du ein bisschen durch den Park spazieren?«, fragte Dimitri.
»Wie spät ist es?« »Ich weiß nicht.«
»Ich muss jetzt wirklich nach Hause.« »Das stimmt nicht.«
»Doch, Dimitri. Meine Eltern sind nicht daran gewöhnt, dass ich abends lange ausgehe. Sie werden sich aufregen.« »Ach was, sie mögen mich doch.« Er rückte näher an sie heran. »Dein Vater mag mich sogar sehr. Außerdem sind deine Eltern viel zu sehr mit ihren Gedanken an Pascha beschäftigt, um überhaupt zu merken, wann du kommst und gehst«, behauptete er.
Tatiana blieb stehen und drehte sich um. »Ich gehe jetzt zurück.« Sie begann, den Suworowskij entlangzulaufen. Er griff nach ihrem Arm. »Tania, lauf nicht weg!« Ohne sie loszulassen, fügte er hinzu: »Komm, setz dich mit mir auf die Bank dort drüben unter den Bäumen.«
Sie
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