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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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feindlichen Flugzeugen ab. Aber eigentlich sah sie nur Alexanders leidenschaftliche Augen vor sich und spürte seine Hand auf ihrem Herzen.
    Irgendwann in diesen Wochen verlor Tatiana ihre Unschuld -und zwar deshalb, weil sie Dascha ständig täuschte. Aufrichtig war allein, was Tatiana für Alexander empfand. Wenn ich doch immer mit ihm durch Leningrad gehen könnte, in jeder weißen Nacht, wenn das Morgengrauen und die Dämmerung miteinander verschmelzen, dachte Tatiana, während sie sich unruhig im Bett wälzte. Alexander. Bald wirst du dich von mir trennen und ich werde wieder allein sein. Ich werde weiterleben und jemand anderen lieben, so wie es jeder tut. Aber meine Unschuld ist für immer verloren.

    Zwei Tage später, am zweiten Sonntag im Juli, besuchten Alexander und Dimitri Tatiana und Dascha in Zivilkleidung. Alexander trug eine schwarze Leinenhose und ein weißes, kurzärmeliges Hemd. Tatiana hatte ihn noch nie zuvor in einem kurzärmeligen Hemd gesehen. Seine Unterarme waren muskulös und gebräunt. Sein Gesicht war sauber rasiert. Das hatte sie bisher auch noch nie gesehen. Bis zum Abend waren Alexander immer Bartstoppeln gewachsen. Tatiana fand jedenfalls, dass er unglaublich gut aussah.
    »Wohin möchtet ihr denn gehen? Lasst uns mal was Besonderes unternehmen«, schlug Dimitri vor. »Wie wäre es mit Peterhof?«
    Sie packten etwas zu essen ein und gingen zum Warschauer Bahnhof. Mit dem Zug fuhr man ungefähr eine Stunde nach Peterhof. Sie gingen ein Stück am Obvodnoj-Kanal entlang, wo Alexander und Tatiana jeden Abend spazieren gingen. Tatiana schwieg. Einmal, als Alexander sie mit Dascha auf dem engen Bürgersteig überholte, streifte sein Arm Tatianas nackten Arm. Im Zug sagte Dascha: »Tania, erzähl Dima und Alexander, wie du Peterhof nennst. Los, erzähl es ihnen!« Tatiana schreckte aus ihren Gedanken auf. »Was? Oh, ich nenne es das Versailles der Sowjetunion.«
    Dascha erklärte: »Als Tania kleiner war, wollte sie eine Königin sein und in dem großen Palast wohnen, nicht wahr, Taneschka?« »Hmm.«
    »Wie haben die Kinder in Luga dich immer genannt?« »Ich kann mich nicht mehr erinnern, Dascha.« »Es war so lustig! Die Königin des ... die Königin des ...« Tatiana sah Alexander an, der ihren Blick erwiderte.
    »Tania, was wäre denn deine erste Amtshandlung als Königin gewesen?«, fragte Dimitri.
    »Ich hätte die Monarchie wieder eingeführt«, sagte sie. »Und jeden geköpft, der sie nicht anerkennt.« Alle lachten. Dimitri sagte: »Du hast mir wirklich gefehlt, Tania.« Alexander, der ihr schräg gegenüber saß, hörte auf zu lachen und starrte aus dem Fenster. Auch Tatiana blickte angestrengt nach draußen.
    Dimitri fasste nach ihrem Pferdeschwanz und fragte: »Tania, warum trägst du deine Haare eigentlich nicht offen? Ich habe dich erst einmal so gesehen. Es sah so hübsch aus!« Wegwerfend erklärte Dascha: »Vergiss es, Dimitri, sie ist zu eigensinnig. Wir fragen sie ständig, wozu sie eigentlich so lange Haare hat, wenn sie gar nichts damit anfängt. Aber nein, sie trägt es nie offen, nicht wahr, Tania?« Dascha lächelte. »Genau, Dascha«, erwiderte Tatiana. Sie sehnte sich nach einem Platz an der Wand, damit sie ihr gerötetes Gesicht vor Alexanders Blicken verbergen konnte.
    »Nimm das Gummi aus deinem Pferdeschwanz, Taneschka«, forderte Dimitri. »Komm, mach schon!«
    »Mach schon, Tania«, unterstützte Dascha ihn.
    Langsam zog Tatiana das Gummiband aus den Haaren und wandte sich zum Fenster. Bis sie ausstiegen, sagte sie kein Wort mehr.
    In Peterhof schlossen sie sich nicht der Führung an, sondern spazierten durch den Palast und den Park, bis sie schließlich ein lauschiges Plätzchen auf dem Rasen unter den Bäumen fanden, wo sie ihr Picknick veranstalten konnten. In der Nähe plätscherte der große Kaskadenbrunnen.
    Mit Appetit aßen sie die hart gekochten Eier, das Brot und den Käse. Dascha hatte sogar Wodka mitgebracht. Sie, Alexander und Dimitri tranken aus der Flasche und rauchten anschließend eine Zigarette. Tatiana wollte nichts trinken und rauchte auch nicht.
    »Tania, du rauchst nicht, du trinkst nicht«, sagte Dimitri, »was tust du eigentlich?«
    »Sie schlägt Rad!«, rief Dascha aus. »Stimmt's, Tania? In Luga hat Tania allen Jungen das Radschlagen beigebracht.«
    »Allen Jungen?«, fragte Alexander.
    »Gab es überhaupt Jungen in Luga?«, fragte auch Dimitri. »Sie sind wie die Fliegen um Tania herumgeschwirrt.« »Was redest du da, Dascha«,

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