Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
Vom Netzwerk:
wütend aus. »Hast du dir überlegt, was dann passiert? Ich muss doch mit Dascha weiter zusammenleben!« Sie lachte bitter auf. »Was denkst du dir denn? Glaubst du, du kannst mich besuchen kommen, nachdem du mit ihr Schluss gemacht hast? Glaubst du, du kannst einfach zum Abendessen kommen und mit meiner Familie plaudern? Und was ist mit mir, Alexander? Sollen wir zusammen in die Kaserne gehen? Verstehst du denn nicht, wie eng ich mit meiner Familie zusammenlebe? Und dass ich sonst nirgendwo hingehen kann?« Mittlerweile schrie Tatiana. »Versteh doch, du kannst machen, was du willst, du kannst auch mit Dascha Schluss machen, aber wenn du das tust, kannst du mich nie mehr wiedersehen.«
    »Droh mir nicht, Tatiana!«, erwiderte Alexander genauso laut.
    »Ich habe die Situation wohl falsch eingeschätzt.«
    Tatiana stöhnte auf. Sie war den Tränen nahe.
    Leiser sagte er: »In Ordnung, reg dich nicht auf!« Er strich ihr über die Arme.
    »Dann hör auf, mich anzugreifen.« Er nahm die Hände weg.
    »Bitte lass alles beim Alten«, sagte Tatiana. Sie schlug die Augen nieder. »Dascha ist die Richtige für dich. Sie ist eine Frau und ich bin ...« »Blind!«, rief Alexander aus.
    »Ach, Alexander«, entgegnete Tatiana verzweifelt. »Was willst du von mir ...«
    »Alles«, flüsterte er heftig.
    Tatiana schüttelte den Kopf und ballte die Fäuste.
    Alexander streichelte ihr über die Haare und sagte: »Tatia, ich frage dich zum letzten Mal...«
    »Und ich sage es dir zum letzten Mal.« Ihre Stimme versagte. Sie trat auf ihn zu und legte ihm sanft die Hand auf den Arm. »Shura ... Ich will Daschas Leben nicht zerstören, nur um mich und dich glücklich zu machen ...«
    »Es ist schon gut«, unterbrach er sie und zog seinen Arm weg. »Du hast es mir ja sehr deutlich gemacht. Ich habe mich in dir geirrt. Aber ich sage dir etwas: Ich werde mich von Dascha trennen und du wirst mich nicht wiedersehen.« »Nein, bitte ...«
    »Geh jetzt!«, forderte Alexander sie auf und wies die Straße hinunter. »Geh nach Hause. Geh zu deiner Dascha!« »Shura ...«, flehte sie.
    »Nenn mich nicht so!« Seine Stimme war kalt und er verschränkte die Arme vor der Brust. »Geh, habe ich gesagt. Geh endlich!«
    Tatiana blinzelte. Jeden Abend, wenn sie sich getrennt hatten, hatte sie den Schmerz beinahe körperlich gespürt. Wenn er nicht da war, hatte sie sich leer gefühlt. Sie war froh gewesen, zu Hause von vielen Menschen umgeben zu sein. So hatte sie nicht ständig an ihn denken müssen. Aber jeden Abend war sie ihrer Schwester unweigerlich nahe gewesen. Dann hatte sie sich zur Wand gedreht und gebetet, dass sie die Kraft bekäme, die Sache am nächsten Tag zu beenden.
    Ich schaffe es schon, dachte sie jetzt. Ich habe die gesamten siebzehn Jahre meines Lebens mit Dascha verbracht und nur drei Wochen mit Alexander. Ich schaffe das! Tatiana machte kehrt und lief davon.

    Alexander hielt Wort. Als er sich das nächste Mal mit Dascha traf, machten sie einen kurzen Spaziergang. Er erklärte ihr, er brauche Zeit für sich, um über bestimmte Dinge nachzudenken. Dascha weinte. Er hasste es, wenn Frauen weinten, und konnte ihr Flehen kaum ertragen. Aber er gab nicht nach. Er konnte Dascha schließlich nicht erzählen, dass er wütend auf ihre kleine Schwester war. Wütend auf ein schüchternes, junges Ding, dessen Kopf in seine Handfläche passte, das aber keinen Fußbreit nachgab, auch nicht für ihn.
    Ein paar Tage später war Alexander fast froh, dass er Tatiana nicht mehr sah. Er fand heraus, dass die Deutschen nur noch achtzehn Kilometer von der kaum befestigten Front bei Luga entfernt waren. Die Front wiederum lag nur achtzehn Kilometer vor Tolmachewo. Die Freiwilligentruppe hatte jedoch gerade erst damit angefangen, in Luga Schützengräben auszuheben. In der Garnison erfuhr man, dass die Deutschen die Stadt Nowgorod in nur wenigen Stunden eingenommen hatten. Das war der Ort, wo Tatiana damals in den Ilmensee gesprungen war. Da man fälschlicherweise die Finnen als die größte Bedrohung angesehen hatte, hatte man alle Waffen und die gesamte Munition in den Norden von Leningrad geschafft. Die finnisch-sowjetische Frontlinie in Südkarelien war die bestverteidigte in der Sowjetunion - und die ruhigste. Dimitri freut sich bestimmt, dachte Alexander. Hitlers plötzlicher Vorstoß südlich von Leningrad dagegen hatte die Rote Armee überraschend getroffen. Verzweifelt mühte sie sich ab, eine Verteidigungslinie an der Luga zu errichten, die

Weitere Kostenlose Bücher