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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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hatte keine Lust, Dimitri von seinen Problemen zu erzählen.
    »Nun ja, ein Grund mehr, warum Tania nicht hierher kommen sollte. Es würde Dascha unnötig aufregen, wenn sie es herausfände, oder nicht?«
    »Da hast du bestimmt Recht.« Alexander blickte Dimitri an. »Hast du noch eine Zigarette?«
    Sofort griff Dimitri in die Tasche seiner Khaki hose. »Aber gern. Ein Leutnant bittet einen niedrigen Gefreiten um einen Glimmstängel. Mich freut es immer, wenn ich dir etwas Gutes tun kann.«
    Alexander nahm schweigend die Zigarette entgegen.
    Dimitri räusperte sich. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass du etwas für die kleine Taneschka empfindest. «
    »Aber du weißt es besser, oder?«
    Dimitri zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich. Aber so, wie du sie ansiehst...«
    »Vergiss es«, unterbrach Alexander ihn. »Das bildest du dir nur ein.«
    Dimitri stieß einen Seufzer aus. »Ich weiß, ich weiß«, sagte er. »Was soll ich sagen? Ich habe mich heftig in das Mädchen verliebt. «
    In Alexanders Fingern brannte die Zigarette langsam herunter. »Tatsächlich?«, fragte er schließlich.
    »Ja. Ist das so eine Überraschung?« Dimitri lachte. »Findest du, dass ein Kerl wie ich nicht gut genug ist für ein Mädchen wie Tania?«
    »Nein, keineswegs«, erwiderte Alexander. »Aber nach dem, was ich gehört habe, hast du deine Aktivitäten bei Sadko nicht eingestellt.«
    Dimitri zuckte mit den Schultern. »Was hat das denn damit zu tun?« Bevor Alexander antworten konnte, trat Dimitri ein wenig näher und flüsterte: »Tania ist noch jung und hat mich gebeten, langsam vorzugehen. Ich respektiere ihre Wünsche und bin geduldig mit ihr.« Er zog die Augenbrauen hoch. »Sie ist aber trotzdem wirklich entgegenkommend ...« Alexander warf den Zigarettenstummel weg und drückte ihn mit dem Absatz seines Stiefels aus. »Na gut«, sagte er. »Genug jetzt.« Er ging auf das Gebäude zu. Dimitri lief ihm nach und packte ihn am Arm. Alexander wirbelte herum und riss sich los. »Fass mich nicht an, Dimitri!« Er blitzte ihn an. »Ich bin nicht Tatiana.« Dimitri trat ein paar Schritte zurück und sagte: »Schon gut, schon gut. Du solltest wirklich etwas gegen deine Wutausbrüche unternehmen, Alexander Barrington .« Lächelnd wich er noch weiter zurück. Mittlerweile war es dunkel geworden und Dimitri wirkte auf einmal kleiner, seine kleinen Zähne wirkten spitzer und gelber, seine Haare waren fettig und seine Augen hatten einen verschlagenen Ausdruck.

    Am nächsten Morgen ging Tatiana voller Hoffnung zur Arbeit. Sie hatte gelernt, die allgegenwärtigen NKWD-Truppen, die mit ihren mächtigen Gewehren an den Toren von Kirow standen oder durch die Flure marschierten, zu ignorieren. Ein paar Männer starrten sie ernst und ausdruckslos an. Zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte sie sich, noch kleiner und unauffälliger zu sein.
    Damit die Arbeiter sich nicht langweilten und deshalb nachlässig wurden, stellte man sie alle zwei Stunden an einen anderen Platz. Von dem Flaschenzug, der das Panzergehäuse auf die Ketten hievte, wechselte Tatiana zu der Stelle am Band, wo der rote Stern auf die fertigen Panzer aufgemalt wurde. Und nicht nur das: Auch die Worte Für Stalin! sprühte sie in Weiß auf die glänzende grüne Farbe.
    Ilya, der dünne Junge mit den struppigen Haaren, ließ Tatiana nicht mehr in Ruhe, seitdem Alexander abends nicht mehr kam. Er stellte ihr alle möglichen Fragen und sie war zu höflich, sie nicht zu beantworten.
    Doch nach einer Weile wurde sogar Tatiana ungeduldig. Ich werde ihm sagen, dass ich mich auf meine Arbeit konzentrieren muss, nahm sie sich vor. Sie fragte sich, wie er es immer fertig brachte, den Platz neben ihr zu besetzen, ganz gleich, wie oft am Tag sie ihre Position wechseln musste. Auch in der Kantine setzte sich Ilya mit seinem Teller neben sie und Zina, die ihn nicht leiden konnte und ihm das auch freimütig zu verstehen gab.
    Heute jedoch hatte Tatiana Mitleid mit ihm. »Er fühlt sich eben einsam«, sagte sie und steckte sich ein Stück Kotelett in den Mund. »Vielleicht hat er niemanden. Bleib ruhig hier, Ilya.« Und Ilya blieb.
    Tatiana konnte es sich leisten, großzügig zu sein. Sie vermochte kaum abzuwarten, dass der Arbeitstag vorbei war. Sie war sich sicher, dass Alexander sie heute Abend abholen würde. Sie trug ihren hellsten Rock und eine ebenso helle, weiche Bluse. Nach getaner Arbeit lief sie mit offenen, gebürsteten Haaren und sorgfältig geschrubbtem

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