Die Liebenden von Sotschi
Hastings, vor Irvington. Und fahren Sie vorsichtig, mein Freund. Meine Frau bekommt ein Kind!«
Er sagte das mit so viel Stolz, daß der Taxidriver sich umdrehte, Irene anlachte und antwortete:
»Wenn's im Auto kommt, muß ich Pate werden! Darauf bestehe ich.«
»Es kommt in sieben Monaten.«
»Ach so!« Er sah Bubrow strafend an. »Daß Männer bei Kindern immer so verrückt werden! Aber ich war genauso, Sir. Keine Angst, ich werde nach Ardsley wie auf Wolken fahren.«
Gegen 11 Uhr abends, als die letzten Premierengäste das Globe Theatre verlassen hatten und die Lichter im Eingang verlöschten, wußte Strelenko, daß er wieder verloren hatte. Er hockte im Sattel seiner Yamaha-Maschine, der Helm verbarg sein Gesicht unter der getönten Scheibe, und weinte vor Wut. Wassili tat gut daran, sich ihm nicht zu nähern; er stand abseits, kaute an den Nägeln und dachte daran, was Strelenko vorhin gesagt hatte: Wenn wir diese Spur verlieren, können wir uns umbringen.
Wassili war nicht bereit, das zu tun. Er war kein Samurai.
Ohne sich um Wassili zu kümmern, trat Strelenko das Motorrad an und raste davon. Er fuhr in die Hafengegend, bezahlte in einem Bordell hundert Dollar, ging auf ein Zimmer, das schalldicht angelegt war, zog sich völlig aus und starrte die Dirne aus hohlen, leeren Augen an. An den Wänden hingen Peitschen, Ketten, Zangen, Lederriemen. Die Dirne war in eng anliegendes schwarzes Leder gekleidet.
Strelenko warf sich auf die Liege.
»Nun mach schon!« schrie er. »Worauf wartest du?«
Als ihn der erste Peitschenschlag traf, schloß er die Augen und schluchzte.
Strelenko bestrafte sich selbst.
Das Päckchen, das mit der Kurierpost der sowjetischen Botschaft aus Washington gekommen war, packte Ussatjuk mit ungeduldigen Händen aus. Strelenko hatte ihm am Telefon nur knapp berichtet, daß die Tante endlich zu Besuch gekommen sei und daß es ihr gutgehe. Sie lasse grüßen und werde eine Ansichtskarte senden.
Bis dahin hatte Ussatjuk verstanden, was Strelenko meinte. Nur was die Ansichtskarte bedeutete, war ihm unklar. Er verständigte sich deshalb über chiffrierten Funk mit der sowjetischen Botschaft in Washington und erfuhr dort, daß Leutnant Strelenko eine Videokassette auf den Weg gebracht hatte. Das irritierte ihn noch mehr, denn es war ja nicht anzunehmen, daß Bubrow im Fernsehen auftrat.
Nun war die Sendung eingetroffen. Ussatjuk betrachtete die schwarze Kassette kritisch, ging mit ihr in den Filmvorführraum, wo man alle denkbaren Systeme abspielen und auch Fernsehbilder auf eine riesige Spezialleinwand projizieren konnte.
»Ich brauche Betamax-System!« sagte Ussatjuk zu dem Genossen Techniker. Dann schaltete er die rote Warnlampe über dem Eingang ein und wußte, daß er jetzt ungestört war.
Nach einer halben Stunde verließ Ussatjuk den Filmraum, ging auf sein Zimmer, trank einen großen russischen Wodka und rief General Butajew an.
»Ich möchte Sie gern einladen, Victor Borissowitsch«, sagte er freundlich. »Nein, nicht zu Tee und süßem Kuchen, sondern zu einem kleinen Theaterabend. Ein neues Musical vom Broadway. Uraufführung im Globe Theatre. Ich habe gerade ein Videoband bekommen. Hochinteressant, verspreche ich Ihnen. Man sieht ja bei uns diese Musicals nicht. Eigentlich schade. Immer nur ›Fürst Igor‹ oder ›Eugen Onegin‹, das ermüdet auf die Dauer. Kommen Sie gleich?«
General Butajew, von Ussatjuk mancherlei Kapriolen gewöhnt, sagte zu. Eine neue Verrücktheit, dachte er. Sitzt der Sulfi Iwanowitsch da in seinem Fuchsbau und sieht sich nackte Girlsbeine an! Na, so was! Und wir vom GRU sind für die halbe Welt zuständig und müssen dafür sorgen, daß es an allen Enden knistert und brennt.
Er setzte sich in seinen schwarzen Wagen und nahm sich vor, Ussatjuk wieder einmal gründlich aufzuziehen.
Der Oberst erwartete ihn bereits ungeduldig, schluckte klaglos die Bemerkung »Ja ja, wenn so ein paar nackte Hintern wackeln!« und ging mit Butajew zum Vorführraum. Dort setzten sie sich in die Mitte, wo das Bild am klarsten war.
Ussatjuk nahm einen ferngesteuerten Taster in die Hand, mit dem er das Abspielgerät dirigieren konnte, und ließ das Licht löschen.
In völliger Dunkelheit saßen sie nebeneinander. Butajew räusperte sich.
»Ich muß Ihnen vorweg etwas erklären«, sagte Ussatjuk. »Das Band hat Strelenko aufgenommen, rein zufällig, weil ganz New York von dieser Premiere sprach. Ich habe Ihnen einmal gesagt: Es gibt in unserem Beruf zwei
Weitere Kostenlose Bücher