Die Liebenden von Sotschi
aus der Tucker-Klinik. Genosse Leutnant, ich glaube nicht, daß ich das durchstehe! Sie hat heute ihren freien Tag, liegt oben im Bett. Ja, ich rufe aus einer Telefonzelle an, bin in so einem kleinen Hotel … Wissen Sie, wie das ist, wenn man meint, das Rückgrat sei einem abhanden gekommen?«
»Nein!« sagte Strelenko böse und hängte ein.
Mitten in der Nacht schrak Strelenko hoch. Neben ihm klingelte das Telefon. Spencer Holmes war wieder am Apparat.
»Wir haben ihn, Genosse Leutnant«, jubelte er, »wir haben ihn! Die Süße hat Bubrow erkannt. Das ist ja Anthony Jefferson, sagte sie. Der hat bei uns ein neues Gesicht bekommen! Jawohl: Anthony Jefferson, den Namen hab' ich mir gemerkt! – Wir sind am Ziel, Genosse Leutnant!«
»Wo ist das Mädchen?«
»Oben. Endlich schläft sie!«
»Du mußt durchhalten, Stepan!« sagte Strelenko, erfüllt von einem unbeschreiblichen Glücksgefühl. »Du mußt herausbekommen, wo die Patientenkarteien sind, die Operationsberichte, die Akten. Weiß die Kleine, wo Jefferson wohnt?«
»Nein. Hat sich nie darum gekümmert. Ich habe behauptet, daß ich Jefferson von der Armee her kenne. Wir wären Freunde, hätten uns nur aus den Augen verloren.«
»Das ist gut, Stepan! Sehr gut! Frag nach den Akten!«
»Auf allen vieren werde ich zurückkommen, Genosse Leutnant. So etwas von Weib darf es gar nicht geben!«
»Und wenn du mit der Ambulanz gebracht wirst: ich muß jetzt wissen, wo die Akten sind!«
Strelenko legte auf, faltete die Hände über der Brust und begriff, daß einem vor Glück das Herz stehenbleiben kann.
In der folgenden Nacht wurde in der Klinik von Prof. Tucker eingebrochen.
Es waren Profis. Sie kamen durch die Heizung, brachen ein paar Türen auf und erreichten den Archivraum, wo die Krankengeschichten lagerten, geordnet nach Jahrgängen und nach dem Alphabet. Die Einbrecher mußten es eilig gehabt haben, sie hatten nur den letzten Jahrgang durchwühlt, die Akten auf den Boden geworfen und sich aus dem Staube gemacht.
Es war Strelenkos größter und entscheidender Fehler, daß er die Akte Jefferson nicht in aller Ruhe gesucht und unmerklich entfernt hatte. Und es war, wie so oft, auch nur ein Zufall, daß Dr. Haddix Nachtdienst hatte. Der Assistent pflegte die letzten Nachtstunden auszunutzen, indem er eine wissenschaftliche Arbeit über kosmetische Operationen schrieb, mit der er sich an einer Universität als Dozent habilitieren wollte.
Dazu brauchte Dr. Haddix laufend Patientenmaterial, das er natürlich mit aller Diskretion verarbeitete. Und so stieg er auch in jener Nacht in den Archivkeller, um drei interessante Fälle herauszusuchen. Die aufgebrochenen Türen und das Chaos im Archiv jagten ihn die Treppe wieder hinauf, und kurz darauf stand er mit Prof. Tucker, der noch im Schlafanzug war, im Keller und sichtete die Krankengeschichten. Schon sehr bald fand der Professor seinen Verdacht bestätigt: Nichts fehlte – nur die Akte Jefferson.
»Ich habe es geahnt!« schrie er Haddix an. »Ja, ich habe es fast gewußt: Hinter diesem Jefferson steht eine ganz dicke Schweinerei. Wissen Sie, daß er Russe ist? Heißt Boris, und sie wird Irininka genannt! Und warum bezahlt die CIA ohne Wimpernzucken jede Rechnung? Warum wohl? Haddix, wir stecken ganz tief in der Scheiße!«
Sie liefen, und von seinem Zimmer aus rief Jeff Tucker die CIA an. Nachts ist selbst bei der CIA der Blutkreislauf vermindert. Tucker brüllte die Wache an, verlangte einen hohen Offizier und erfuhr, daß hohe Offiziere um diese Zeit im Bett liegen. Aber ein Leutnant sei immerhin da.
»Hören Sie«, keuchte Tucker, als der Wachhabende sich endlich meldete. »Weder steht der Russe am Rhein, noch hat Fidel Castro Manhattan erobert. Aber hier sind die Akten eines gewissen Jefferson gestohlen worden, und dieser Jefferson muß bei Ihnen eine große Rolle spielen! Natürlich kennen Sie ihn nicht, den soll anscheinend niemand mehr kennen, aber ich sage Ihnen, es gibt eine Katastrophe, wenn ich keinen Ihrer Herren erreiche. Ich muß Oberst Boone oder Major Cohagen haben! Mit denen habe ich immer verhandelt. Schmeißen Sie beide aus dem Bett! Sagen Sie ihnen: Die Akte Jefferson ist bei Tucker geklaut worden! Heute nacht! Es kann noch nicht lange her sein, höchstens eine halbe Stunde! So – und damit ist die Sache für mich erledigt!«
Tucker warf den Hörer hin, starrte Haddix an, als sei dieser der Dieb, und holte dann eine Flasche Kognak aus dem Schrank.
»Trinken Sie, Bret!« sagte er,
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