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Die Liebenden von Sotschi

Die Liebenden von Sotschi

Titel: Die Liebenden von Sotschi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Staat und seiner Verteidigung, nicht einem Ehemann oder einer Ehefrau.«
    »Die Rattenversuche sind doch kein Geheimnisbruch.«
    »Er wird fragen: Wieso husten sie plötzlich und spucken blutig ihre Lungen aus? Wie wollen Sie das erklären?«
    »Ein neues Mittel gegen Ratten.«
    »Nein!« Dr. Ewingk schüttelte den Kopf. »Ich bin dagegen. Was hinter unseren Türen passiert, geht keinen etwas an! Irene, Sie können Boris auch auf andere Weise zeigen, wie sehr Sie ihn lieben. Sie müssen ihm nicht vorführen, daß wir lungenzersetzende Bakterien züchten. Ich glaube, das interessiert ihn auch gar nicht. Er ist glücklich, am Staudamm-Projekt beteiligt zu sein.«
    Irene Walther sagte: »Danke, Dr. Ewingk!« und ging zurück in den Versuchskeller III. Dort turnten hinter dicken, bruchsicheren und gasfest in Rahmen eingelassenen Glasscheiben neun Meerkatzen auf knorrigen Ästen oder an pendelnden Stricken. Ein Einfüllstutzen, durch dicke Gummimanschetten abgeschlossen, unterbrach die große Scheibe. Scheinwerfer erleuchteten den gläsernen Käfig. Irene blieb vor den Meerkatzen stehen und beobachtete ihr fröhliches Spiel. Allen war ein Minisender eingepflanzt worden, der Herzfrequenz, Blutdruck und Hirnstrommessungen zu einem Empfänger sendete, der alle Impulse aufzeichnete. Die elektronischen Schreiber glitten über das Meßpapier.
    Morgen wird ihr Zerfall beginnen, dachte Irene. Mit Husten fängt es an, wie eine Erkältung. Dann rasselt es in der Brust, wie bei einer Bronchitis. Kurz darauf zeigen sich dramatische Formen einer Pneumonie, bis man zusieht, wie die Lungen zerfallen und stückweise ausgehustet werden. Ein Blutsturz ist das Ende.
    Amtliche Bezeichnung dieses teuflischen Todes: R-PB 428/IV.
    Das IV bedeutet die höchste Gefahrenstufe. Eine Unvorsichtigkeit im Labor – und die Folgen wären überhaupt nicht abzusehen. Man durfte gar nicht daran denken.
    Aber auch nicht denken, was geschehen würde, wenn man Bomben mit R-PB 428/IV füllte und über bewohnten Gebieten detonieren ließ. Die Sprengwirkung war gleich Null – aber der lautlose Tod würde überall sein. Eine funktionsfähige Welt blieb zurück – aber ohne Menschen. Eine Vision, für die keine Phantasie mehr ausreichte.
    Man sollte das Boris wirklich nicht sagen, dachte Irene Walther. Sofort würde er fragen: Warum tust du das? Warum bist du keine Ärztin wie tausend andere? Warum forschst du nach millionenfachem Tod, statt den Tod aufzuhalten mit deiner ärztlichen Kunst? Wie kannst du als Frau so etwas tun?! Vernichten, statt zu retten? Irina, ich habe plötzlich Angst vor dir!
    Und was könnte sie antworten? Nichts! Als sie mit 28 Jahren in das Forschungsteam von Dr. Ewingk kam und vereidigt wurde, war sie stolz gewesen, weil ihr Professor sie dafür empfohlen hatte. »Sie werden nirgendwo eine größere Verantwortung bekommen«, hatte er gesagt. »Verantwortung vor der Menschheit und sich selbst.«
    Wie konnte man das Boris klarmachen?
    Sie verließ den Versuchskeller III, fuhr mit dem Lift nach oben und beendete für heute ihre Arbeit.
    Während sie zum Parkplatz ging, dachte sie darüber nach, wie sie Boris mit einer einfachen Erklärung zufriedenstellen könnte.

Jenseits der Ausfahrt aus dem Betriebsgelände der ›Bio-Agrar‹, deren Tor sich nur elektronisch öffnen ließ und Tag und Nacht unter Fernsehkontrolle stand, wartete ein elegant gekleideter Mann und winkte mit beiden Armen, als Irene auf die Straße einschwenkte.
    Einen Augenblick zögerte sie, wollte impulsmäßig Gas geben, dann bremste sie doch und hielt den Wagen ein paar Meter weiter an. Er soll nicht denken, daß ich Angst vor ihm habe, dachte sie kampflustig. Jetzt kneife ich nicht mehr! Mein Leben hat sich grundlegend verändert.
    Hanns Heroldt hatte sich nicht verändert. Die braunen Haare waren künstlich aufgelockt, er war sonnengebräunt, trug einen englischen Maßanzug und darüber einen Paletot, lose um die Schulter gelegt, denn immerhin war es kalt, es hatte wieder geschneit und dann gefroren.
    »Wie schön!« rief er, als Irene vor ihm stand und ihren Bisammantel enger um sich schlug. »Du erkennst mich noch? Das hebt meinen Stolz gewaltig.«
    »Was willst du?« fragte sie abweisend.
    »Das fragt man, wenn man so lange wie wir zusammen war?«
    »Über diese Zeit ist genug gesagt worden. Ich bedaure sie. Ist das alles, was du hören wolltest?«
    »Ich wollte dich wiedersehen.« Heroldt grinste unverschämt. »Du bist ja nun eine kleine Berühmtheit.

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