Die Liebenden von Sotschi
der Lampe gelassen, das wäre ein Beweis meiner Harmlosigkeit gewesen. Jetzt stinkt es.«
»Wir wollten kein Risiko eingehen.«
»Und was habt ihr jetzt?!«
Bubrow legte auf. Er war wütend und enttäuscht von der Fehlleistung seiner Führungsstelle. Auch Harrelmans in Brüssel mußte nicht ganz wohl sein. Es war anzunehmen, daß man Oberst Ussatjuk diese Dummheit nicht melden würde. Sulfi Iwanowitsch konnte ungeheuer gemein werden. Am Abend sagte Bubrow zu Irene: »Ich muß etwas tun. Ohne Arbeit fresse ich die Tapete an! Ich werde jetzt von Behörde zu Behörde laufen, bis ich eine Arbeitserlaubnis bekomme.«
»Dr. Ewingk will versuchen, dich bei der Landeswasserbehörde unterzubringen. Man plant neue Staudämme.«
»Das wäre herrlich. Ich bin Staudamm-Fachmann! Irina, wie einfach hat das alles in Sotschi ausgesehen. Man liebt sich, und die Welt gehört einem! Aber diese Welt ist an allen Ecken feindlich. Ich will es einfach nicht begreifen!«
Am 1. Februar bekam Bubrow eine Stelle als Ingenieur beim Planungsstab VI. Hier wurde eine neue Talsperre projektiert, die Grundpläne lagen vor, jetzt ging es um Einzelheiten.
»Das ist nur eine kleine Sperre«, sagte Bubrow zu seinen neuen Kollegen. »In Rußland bauen wir sie zehnmal so groß. Wir haben ja auch Platz genug, und auch ganz andere Wassermassen. Außerdem verankern wir die Staumauer nach einem überraschend einfachen Prinzip.«
Nach drei Wochen war Bubrow ein geachteter Mitarbeiter. Er hatte aus seiner Erfahrung heraus Vorschläge gemacht, die neue Möglichkeiten für den Staudammbau eröffneten. Es fiel nicht auf, daß er Pläne und Berechnungen auf Mikrofilm aufnahm, vor allem sofern sie den militärischen Schutz dieser Anlagen betrafen. Er schickte die Filme an die Adresse von Peter Hämmerling. Es waren die ersten Lieferungen seit seiner ›Flucht‹.
Zwei Tage später rief A 5 an. Bubrow brauchte nicht mehr heimlich zu telefonieren, er hatte jetzt in seinem Konstruktionsbüro ein eigenes Telefon, und niemand kümmerte sich darum, wen er anrief oder welcher Anruf ihn erreichte.
»Was soll das?« fragte Hämmerling ohne Einleitung.
»Ich verstehe die Frage nicht.«
»Staudammpläne!«
»Sie sind sehr wichtig!«
»Bei einem geplatzten Staudamm sterben vielleicht tausend, bei einer geplatzten B-Bombe sind es Hunderttausende!«
»Um in die B-Forschung hineinzukommen, braucht man viel Zeit. Es läuft alles zur Zufriedenheit. Ein paarmal waren wir schon privat bei Dr. Ewingk eingeladen. So etwas kann man nicht erzwingen. Das geht Schritt für Schritt. Wenn Harrelmans das besser kann, soll er rüberkommen.«
»Ich werde es ihm bestellen.«
A 5 legte auf. Bubrow warf den Hörer weg, als sei er heiß geworden, und steckte sich eine Zigarette an. Orlowskij muß ein Schwachkopf sein, dachte er. Ussatjuk würde nie drängen. Er kennt genau die Probleme, die nacheinander gelöst werden müssen. Zunächst das größte: Überall Vertrauen gewinnen! Es ist das Öl, das die Türen lautlos öffnen läßt.
Zweimal hatte ihm Irene im Bett zu erklären versucht, was sie bei ›Bio-Agrar‹ tat. Er hatte sich dumm gestellt. Außerdem erzählte Irene nur das, was er längst wußte. In zehn Monaten hatte er sich durch Spezialisten in die Bakterienforschung einarbeiten lassen. Das hatte noch keinen Forscher aus ihm gemacht, aber er war in der Lage, zu unterscheiden, was man allgemein wußte und was neu und gefährlich war.
»Ich will Ewingk fragen, ob du an einem Versuch teilnehmen darfst«, hatte Irene gesagt. »Als Zuschauer.«
Und Bubrow hatte lustlos geantwortet: »Ja, das wäre schön. Aber ich verstehe ja doch nichts davon. Es wäre nur interessant, zu sehen, wo und wie mein Liebling arbeitet.«
Irene Walther sprach mit Dr. Ewingk darüber.
»Sie wissen, das ist unmöglich«, sagte Ewingk abweisend. »Unsere Geheimnisstufe ist nicht I, sondern Super I. Nicht einmal meine Frau weiß genau, was ich tue, und wir sind über 25 Jahre verheiratet. Sie glaubt, wir suchen Mittel gegen Kartoffelkäfer, Blattläuse und Mehltau. Ich habe nie dementiert.«
»Ich komme mir Boris gegenüber schäbig vor.«
»Wieso denn das?«
»Es ist ein Mangel an Vertrauen, den er nicht verdient hat. Was hat er alles auf sich genommen, um zu mir zu kommen …«
»Das sind zwei ganz verschiedene Schuhe, Irene. Bei unserer Arbeit ist die Grenze zwischen privat und Berufsgeheimnis ganz scharf gezogen. Das hat mit Vertrauensbruch gar nichts zu tun. Was Sie wissen, gehört dem
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