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Die Liebenden von Sotschi

Die Liebenden von Sotschi

Titel: Die Liebenden von Sotschi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Verdampfer, dazu Gummihandschuhe, zwei Atemmasken, zwei Kunststoffanzüge und ein paar gläserne Gefäße und Röhrchen.
    Da niemand sie kontrollierte – das wäre absurd gewesen –, war es leicht, die Dinge am Abend mitzunehmen. Nach vier Tagen hatte sie alles für einen Versuch in der Steinebacher Wohnung, nur die Ratten brachte sie nicht mit. Sie kaufte sie in München in einer medizinischen Tierhandlung, von der viele Institute ihr ›Experimentiergut‹ bezogen.
    Boris Alexandrowitsch registrierte alles, ohne sich jedoch etwas anmerken zu lassen. Und je mehr Irene heranbrachte und in der begehbaren Speisekammer aufbewahrte, um so nachdenklicher wurde er. Was Irene ihm vorführen wollte, war nur der Anfang. Dennoch kam er jetzt dem erstrebten Ziel ein wenig näher. Hatte sie einmal einen Zipfel des Geheimnisses gelüftet, dann war es kein großes Problem mehr, alles Wünschenswerte von ihr zu erfahren: die Forschungsberichte, die Ergebnisse der Bakterienzüchtung, die möglichen Gegenmaßnahmen. Für die Sowjetunion war dieses Wissen von lebenswichtiger Bedeutung.
    Mach Liebe, Genosse – nur so erfährst du alles …
    Das war es, was Bubrow jetzt wie ein Stachel im Fleisch stak. Liebe auf Befehl … Als er den brisanten Auftrag angenommen hatte, wußte er nicht, wer Dr. Irene Walther war. Die Fotos, die man in Sotschi von ihr gemacht hatte – Oberst Ussatjuk hatte sie ihm vorgelegt –, zeigten eine hübsche junge Frau mit ernstem Gesicht, einen schönen Körper und hinter einer Sonnenbrille versteckte Augen. Solche Frauen gab es viele, und Bubrow hatte auf die Frage Ussatjuk: »Wäre das Ihr Geschmack, Boris Alexandrowitsch?« geantwortet: »Sicherlich, bevor ich Einsiedler werde …«
    Diese Antwort war ganz im Sinne Ussatjuks, der lachend einen grusinischen Kognak spendierte.
    Nun war alles ganz anders. Aus einer befohlenen Kopulation war echte Liebe geworden. Er hatte erst gar nicht versucht, sich dagegen zu wehren. Waren die Zaubertage in Sotschi vielleicht nicht viel mehr als ein angenehmer Dienst im Auftrag vom KGB und GRU gewesen, so hatte er doch spätestens bei Irenes Abflug gespürt, daß er sie vermissen würde und daß er sich – gefährlich für einen Mann in seiner Situation! – so an sie gewöhnt hatte, daß sie ihm fehlen mußte, sobald er sie nicht mehr an seiner Seite hatte.
    Von einer solchen Entwicklung hatte Ussatjuk nichts geahnt, als er überlegte, wie man Bubrow möglichst auffällig (denn eben das machte ihn unauffällig) in den Westen schleusen könnte. Sein Vorschlag, eine Linienmaschine zu entführen, war so grandios und verrückt, daß man die Erlaubnis der Kremlführung hatte einholen müssen. Es mußte ja alles echt aussehen, und dazu gehörte auch der Protest des sowjetischen Botschafters in Bonn, der auch wirklich echt war, weil man selbst ihm die Hintergründe nicht erklärt hatte.
    Als Bubrow dann den großen Coup landete und von Prag nach München flog, war er mit vollem Herzen dabei und freute sich auch auf das Wiedersehen mit Irina. Ihre Briefe hatte er wie Küsse empfunden – so ›idiotisch‹, wie er selbstkritisch sagte, war er bereits geworden.
    Nun lebten sie seit Monaten zusammen, und es war Bubrow einfach unerträglich, ja unmöglich, daran zu denken, daß er einmal, nach Erreichen seines Zieles, Irene verlassen würde, so wie man ein Taschenmesser zusammenklappt und wegsteckt, nachdem man einen Faden durchgeschnitten hat.
    In Moskau wartete man gespannt auf Ergebnisse. Man war geduldig, das gehört zu solchen großen Aufträgen, aber auch russische Geduld nimmt mal ein Ende. Für Bubrow wurde sein Auftrag zum Alptraum. Denn um ihn auszuführen, mußte er Irenes Liebe, ihre Ahnungslosigkeit, ihr unbedingtes Vertrauen verraten.
    Ich bin ein Russe, hatte sich Bubrow in den vergangenen Monaten oft vorgesagt. Ich bin ein Kommunist. Es geht um den großen Kampf der unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen. Es geht um die Weltrevolution im Leninschen Sinne. Um die Vernichtung des Kapitalismus und der Bourgeoisie. Es geht um das Überleben der Sowjetunion. Gnade uns Gott, wenn man über uns Bakterienbomben abwirft! Man hört sie nicht, man riecht sie nicht – und Millionen sterben dahin.
    Boris Alexandrowitsch, du mußt deinem Auftrag treu bleiben!
    Ein paarmal spielte er mit dem Gedanken, sein Gewissen mit der Absicht zu beruhigen, Irenes Forschungsergebnisse zwar an Moskau zu übermitteln, danach aber, wenn der Auftrag erfüllt war, den Dienst beim KGB zu

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