Die Liebenden von Sotschi
wußte nur zu berichten, daß auch A 5 in München völlig leerlief und ›Franz-Josef‹ sich ausgesprochen rüde benahm, wenn man ihn anrief. Einmal habe er sogar gesagt, man solle ihn am Arsch lecken. Ein persönlicher Kontakt sei unmöglich geworden; Franz-Josef gebe keine Gelegenheit mehr dazu. Er esse jetzt in der Kantine, gehe abends nur mit Irene Walther aus, fahre auch nicht mehr mit der S-Bahn, sondern habe sich ein schönes Moped zugelegt. A 5 habe einmal versucht, ihn mit seinem Wagen abzudrängen, um auf diese Weise einen harmlosen Unfall zu provozieren – aber man kenne ja Bubrow! Wie ein Artist sei er ausgewichen und über eine Wiese entkommen. Das war auf der Straße von Wessling nach Steinebach.
Bei diesen Berichten bekam Ussatjuk einen roten Kopf, spürte ein Jucken unter den Haarwurzeln und dachte an die Lobeshymnen auf Bubrow, die er überall gesungen hatte, vor allem bei den Generälen Butajew und Nasarow. Er verstand die Welt nicht mehr.
Entschuldigungen gab es nicht. Beim KGB schon gar nicht. Mißerfolge mußten ertragen werden, sie blieben bei dieser Tätigkeit nicht aus, aber ein totales Versagen, wie es sich bei Boris Alexandrowitsch herausstellte, war nicht mehr duldbar. Ussatjuk entschloß sich, seine russische Geduld aufzugeben und Bubrow die Faust in die Rippen zu stoßen. Zunächst nur die Faust, als Warnung. Welcher Art die weiteren Folgen sein würden, darüber brauchte man gerade mit Bubrow nicht zu sprechen. Auch er wußte von Versagern, die in den Weiten Sibiriens verschwunden und irgendwo beim Eisenbahnbau oder in Holzfällerkolonnen wieder aufgetaucht waren.
Harrelmans in Brüssel bekam den Befehl, sich intensiv um Boris Alexandrowitsch zu kümmern.
Intensiv hieß in diesem Fall: Keine Kontakte mehr über Anlaufstellen, sondern direkt. Direkt aber hieß Konfrontation.
Ein paar Tage lang war Ussatjuk ungenießbar. Die Kollegen gingen ihm aus dem Weg, zu Hause malträtierte er seine Frau mit ungerechtfertigten Schimpfkanonaden, gab sein Essen dem Hund ›Skoll‹, kippte den Tee zum Fenster hinaus und benahm sich wie ein Tyrann.
Bubrow war für ihn so etwas wie ein Ziehkind. Er hatte ihn beim Militär entdeckt, als Boris Alexandrowitsch eine Sabotage an den Fallschirmen seiner Truppe entlarven konnte, er hatte ihn gefördert, ihn in die besten KGB-Ausbildungslager gesteckt und dafür gesorgt, daß er auf Staatskosten studieren konnte. Sein erster Auslandsauftrag – im Jemen – war ein voller Erfolg gewesen, man sprach in Moskau mit Hochachtung von ihm. Und nun dieses Versagen! Es griff Ussatjuk ans Herz. Aber welcher Vater kämpft nicht um seinen verlorenen Sohn?
Einen Tag nachdem Harrelmans in Brüssel neue Anweisungen bekommen hatte, traf es Ussatjuk wie ein Schlag, als der verschlüsselte Funkspruch eintraf. A 5 hatte verlauten lassen, ›Franz-Josef‹ habe eine Sendung angekündigt. Das Datum stehe noch nicht fest, aber das Material sei einmalig.
»Ich wußte es!« sagte Ussatjuk glücklich. Er trank ein Gläschen, küßte am Abend seine Frau auf die Wange, was sie erstaunte, und kniff ihr in den runden Hintern, was sie nun gar nicht mehr verstand; er legte eine Schallplatte mit Wiener Walzern auf und benahm sich, als habe er eine neue, junge, blonde Sekretärin bekommen.
»Ein Boris Alexandrowitsch läßt mich nicht im Stich!« sagte er auch zu General Butajew, dessen GRU zur Zeit vierzehn Fachleute in den USA operieren ließ, um nähere Angaben über die amerikanische Neutronen-Bombe zu bekommen. Das Prinzip dieser Bombe war zwar klar, aber man wußte nicht, wie weit die Forschung der USA schon war und ob überhaupt schon einsatzfähige Prototypen in den unterirdischen Bunkern lagerten. Was nun die B-Bombe betraf, waren sich die Experten im Kreml darüber einig, daß die in Deutschland heimlich entwickelte Waffe – auch wenn sie sich erst im Laborstadium befand – eine neue große Gefahr für die Sowjetunion bedeutete und den Westen noch stärker machen würde. Die eigene B- und C-Waffenentwicklung verlief zwar zufriedenstellend und baute ein Arsenal höllischer Vernichtungsmittel auf, aber was sich da im Westen zusammenbraute, war doch äußerst beunruhigend.
Ussatjuk beschloß, noch acht Tage zu warten, bis er Mijnher Harrelmans in Brüssel massiv auf Bubrow ansetzen würde. Nach der ersten Euphorie kehrte das Mißtrauen wie ein schleichendes Gift zurück. Was hatte Bubrow denn eigentlich verlauten lassen? Im Grunde nichts. Er avisierte eine Sendung, die er
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