Die Liebenden von Sotschi
Was hat sie uns getan? Es gäbe so viele andere Lebewesen, die man zu den Sternen schießen sollte.«
Die Ussatjuka hatte ihm diesen Satz nie verziehen. Sie wußte, wer gemeint war, bezichtigte darauf jahrelang den armen Sulfi Iwanowitsch der ehelichen Untreue mit der Begründung, seine Sehnsucht, sie loszuwerden, resultiere allein aus seinen ständigen Hurereien mit den Sekretärinnen. Sie schnupperte an Ussatjuks Anzügen nach Parfümduft, beobachtete ihn beim Baden, ob sein Körper Kratzstellen aufwies, und wenn Ussatjuk morgens ein Liedchen pfiff, weil er gut geschlafen hatte, fauchte sie sofort: »Pfeif nur! Pfeif nur! Wer ist heute dran? Die fette Inna?! Liegt wohl schon über deinem Schreibtisch, wenn du ins Zimmer kommst?! Nun lauf schon, hurtig, hurtig, sie soll sich nicht erkälten!«
In solchen Minuten sah Ussatjuk seine Frau aus schmalen Augen an und hätte den Blitz geküßt, der sie erschlagen hätte.
Nun hatte Ussatjuk kräftig nein zu dem Ottermantel gesagt. Nicht, weil er die Rubel nicht gehabt hätte, sondern um seinen häuslichen Drachen in die Seele zu treffen. Die Ussatjuka reagierte mit totaler Erkrankung, aber als Sulfi Iwanowitsch ohne Zögern zu seinem Büro fuhr, schrie sie ihm nach – die Zunge schmerzte erstaunlicherweise nicht! –: »Spar nur dein Geld für deine Huren, du Rammler!«
So hatte der Morgen begonnen. Im Amt hatte Ussatjuk das Gefühl, man gehe ihm aus dem Weg, denn kaum einer begegnete ihm auf den Fluren, wo sonst um diese Zeit immer Hochbetrieb war und manches Morgenschwätzchen gehalten wurde. Die Sekretärin Julia Leonidowna, ein spitzgesichtiges Mädchen, das von der Ussatjuka verdächtigt wurde, fingerfertig nicht nur an der Schreibmaschine zu sein, schluckte mehrmals, als Ussatjuk ins Zimmer kam.
»Genosse Oberst, sie möchten sofort den Genossen General Butajew anrufen. Und dann auch den Generalstab. Oje!«
»Was heißt oje?« Ussatjuk schnaubte durch die Nase. »Ist was passiert?!«
»Ich weiß nicht, Genosse.«
Julia Leonidowna flüchtete in ihr Vorzimmer und ließ Ussatjuk wütend zurück. Vor den Kapitalisten sollte man erst die Weiber ausrotten, dachte er voll Zerstörungswut. Zu neunzig Prozent bestehen sie aus Hysterie. Aber die restlichen zehn Prozent machen uns immer wieder schwach.
Er wählte die Telefonnummer von General Butajew und sagte mit erzwungener Heiterkeit: »Man beginne den Morgen mit einem guten Freund! Wie geht es Ihnen, Victor Borissowitsch?«
»Sind Sie wirklich hellwach, Sulfi Iwanowitsch?« fragte Butajew nüchtern. Sonst pflegte er über Ussatjuks Aphorismen zu lachen.
»Aber ja!« Ussatjuk schüttelte sich. Lag ein Virus in der Luft? Diese miese Stimmung überall …
»Und Sie können fröhlich sein?«
»Die Sonne scheint …«
»Ihnen liegt noch keine Meldung vor?«
»Nein. Über was?« Ussatjuk zog den Kopf in die Schultern. Meldung? Das war ein gefährliches Wort.
»Dann stimmt es also! Wir müssen es aus dem westlichen Rundfunk erfahren! Sie haben kein Radio gehört heute morgen?«
»Nein. Meine Frau sorgte für Ersatz. Sie ist wieder todkrank. Sie will wieder ableben … Aber es bleibt bei diesen Versprechungen!«
»Zuerst brachten es der Deutschlandfunk und der Sender Freies Europa. Dann, in den Frühnachrichten, auch Belgien und Frankreich. Um sechs Uhr früh. Man hat versucht, Sie anzurufen. Aber Sie meldeten sich nicht. Waren Sie außer Haus?«
»Ich habe nichts gehört. Zugegeben, Victor Borissowitsch, ich hatte gestern abend gehörig Wodka getrunken, um meine Frau zu ertragen.« Ussatjuk spürte, wie ihm heiß wurde. Er knöpfte sein Hemd auf. »Was ist los?«
»Orlowskij und sein ganzer Stab sind verhaftet worden!«
Ussatjuk nahm den Schlag hin wie ein Sandsack. Aber wie ein solcher pendelte er auf seinem Stuhl hin und her. »Wann?« fragte er.
»Im Morgengrauen. Man spricht davon, daß der ganze Ring Mitteleuropa aufgebrochen ist. Wir haben sofort in Bonn nachgefragt: die Botschaft war auch noch ahnungslos. Sulfi Iwanowitsch, was ist da schiefgelaufen?«
»Ich weiß es nicht, Genosse General!« sagte Ussatjuk mühsam. »Warten wir unsere Berichte ab. In Kürze haben wir einen Überblick.«
Er legte auf, brüllte nach Julia Leonidowna und schrie sie an: »Warum haben Sie nichts gesagt? Warum haben Sie mich nicht gewarnt?! Habt ihr alle nur Scheiße im Kopf?!«
Juliaschka fand das grausam, heulte laut auf und flüchtete an ihre Schreibmaschine.
Selten hat man den Sonderdienst II der Ersten
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