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Die Liebenden von Sotschi

Die Liebenden von Sotschi

Titel: Die Liebenden von Sotschi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hauptabteilung des KGB so aufgeregt gesehen wie an diesem Morgen. Die Funkverbindungen nach Mitteleuropa riefen alles zum Rapport, was erreichbar war. Die über alle Botschaften und Handelsmissionen verstreuten Offiziere des KGB und der GRU, die getarnten Beobachter und V-Männer, die Agenten in der Industrie und die Doppelagenten, die bei der CIA, im BND, in der NATO und im Secret Service saßen, im Deuxième bureau und in Bonner Ministerien, wurden schlagartig von der Moskauer Zentrale erfaßt. Schon um die Mittagszeit hatte man ein grobes Bild von dem, was da in Mitteleuropa geschehen war. Ein trostloses Bild. Der über Jahre mühsam aufgebaute, blendend funktionierende Ring von Oberst Orlowskij war zerschlagen. Michail Jefimowitsch war verhaftet, mit ihm fünf weitere Offiziere in Brüssel und in Paris. An die anderen Namen kamen die blitzartig zuschlagenden Polizisten der verschiedenen Staaten nicht heran: Die Verdächtigen waren ausnahmslos Diplomaten. Attachés, Botschaftsräte oder Konsuln. Aber man kannte sie jetzt. Sie waren enttarnt: der Tod jedes Agenten.
    Die Abteilung Mitteleuropa war ausgeblutet. Was noch herumlief, das waren kleine Spione – Wasserträger, wie man sie nannte. Auf Befehl von Ussatjuk gingen sie erst einmal in volle Deckung.
    Um drei Uhr nachmittags wußte man im KGB und im Politbüro des Kreml, wem man diese schnelle Aktion zu verdanken hatte. Der Mann in der CIA beim Oberkommando der NATO in Brüssel konnte es endlich durchgeben, nachdem man alle CIA-Stellen informiert hatte und die Observierung der Diplomaten lückenlos angelaufen war.
    Ussatjuk schloß die Augen, als er den Namen auf dem Funktelegramm las.
    Ronald Cohagen.
    Aber nicht das erschütterte ihn. Cohagen war ein Gegner. Ihm stand das Recht zu, Ussatjuk auszuspielen.
    Der zweite Name war es, der ihn bis ins Mark erschütterte.
    Boris Alexandrowitsch Bubrow.
    Es tröstete Ussatjuk nicht mehr, daß man ihm meldete, der Mikrofilm aus München sei mit einem Kurier aus Stockholm unterwegs.
    Borja war übergelaufen. Einer der Besten. Sein Ziehkind im KGB. Sein ganzer Stolz.
    Ussatjuk verlor in diesen Minuten den Glauben an die Menschheit.
    Das Politbüro handelte natürlich politisch. Über das Außenministerium wies es alle betroffenen Botschaften an, gegen die ungeheuren Vorwürfe, die man den sowjetischen Diplomaten machte, scharf zu protestieren. Man ließ durchblicken, daß man sich nun auch der westlichen Diplomaten mit unklaren Aufgaben annehmen werde.
    Immerhin war es nun unvermeidlich geworden, eine größere Zahl von Diplomaten auszuwechseln. Mit ihrer Enttarnung war ihr Verbleib in den Botschaften sinnlos geworden. In Westeuropa wurden viele Koffer gepackt.
    Ussatjuk kam nach einer Sitzung der KGB-Spitze entnervt und müde in sein Büro zurück. Er warf sich in einen Sessel, starrte gegen die Wand, wo der streng blickende Lenin hing, und wunderte sich, daß er in sein Büro hatte zurückkehren dürfen. Zu Zeiten Berijas, des einstigen Chefs der Geheimpolizei, wäre das nicht möglich gewesen. Pannen solcher Größenordnung endeten für die Verantwortlichen immer in den Zellen der Lubjanka. Aus ihnen war noch nie jemand erhobenen Hauptes wieder herausgekommen. Er ist auf dem Weg nach New York, dachte Ussatjuk bitter. Da ist Cohagen schnell, das muß man ihm zugestehen. Was kann er aus Boris noch herausholen? Was weiß Bubrow noch alles? Worüber kann er erzählen?
    Er seufzte tief, als er diesen Gedanken weiterspann. Natürlich wußte Boris Alexandrowitsch als ständiger Sonderagent alle Tricks, die man im Laufe der letzten Jahre angewandt hatte. Er kannte die Kollegen im Vorderen Orient und in der Türkei, er hatte Verbindung zu den kubanischen Beratern in Angola und Äthiopien. Wenn er seinen Kenntnissen freien Lauf ließ, würde selbst der CIA der Hintern heiß werden. Vor allem konnte er von den Männern der GRU erzählen, von denen einige sogar im Pentagon zu Washington saßen. Eine unfaßbare Katastrophe.
    »Was nun?« fragte General Butajew mit leichtem Spott. Er besuchte Ussatjuk am Nachmittag nach der Sondersitzung des KGB und nippte an dem Tee, den Julia Leonidowna servierte. Er war dünn wie Spülwasser – auch Julia hatte vor Erregung jedes Maß verloren. »Ihr Glanzjunge! Bubrow! Sulfi Iwanowitsch, vor drei Tagen hätten Sie mir noch gegen das Knie getreten, wenn ich an Bubrow gezweifelt hätte.«
    »Auch jetzt begreife ich es noch nicht ganz«, sagte Ussatjuk müde.
    »Muß das eine Frau sein, diese

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