Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst
und nicht vögeln, nichts war lebensgefährlicher als das hier.
»Komm«, sagte er und hob sie hoch zu sich, schob ihre Oberschenkel auseinander und ließ sie auf sich hinabgleiten. So einfach war das.
»Sieh mich an«, sagte er.
Seine Augen waren feucht, sie durfte nicht an Alex denken, sie dachte auch nicht an Alex, sie weinte.
»Sieh mich an«, sagte er.
»Ich bin hier«, flüsterte sie.
»Halt die Knie so.«
»Ich weiß.«
»Gleich komme ich. Sieh mich dabei an.«
»Ich sehe dich an«, sagte sie.
»Wir kennen uns seit zwei Stunden«, sagte er.
»Nein.«
»Nicht?«
»Nein. Mehr. Länger.«
»Drei?«
»Ich glaube, ich warte schon sehr lange auf dich. Aber ich werde wieder wegrennen.«
»Weg von mir?«, fragte er.
»Ja, lass mich das nicht tun.«
»Ich kann dich nicht festhalten. Du musst es selbst wollen.«
»Ich traue mich nicht. Alles zerbricht. Alle verschwinden.«
»Jetzt komme ich.«
81
Er kochte grünen Tee. Er sah nach Emma. Sie schlief, sagte er, mit Glücksstern auf dem Kopfkissen.
»Darüber hat Kaia Huuse sogar ein Lied geschrieben«, sagte sie.
»Die Vorstellung, dass ich wegen Todeskram bei der Arbeit blaumache«, lächelte er.
»Aber musst du sie nicht zur Schule fahren?«
»Die ist gleich hier oben, sie geht zu Fuß. Aber ich glaube, es ist vielleicht besser, wenn du heute Nacht nicht in meinem Bett schläfst. Das könnte sie verwirren. Oder ihr zu große Hoffnung machen. Sie ist so jung. Und sie sehnt sich so sehr nach einer Mama.«
»Und ich bin so müde. Grüner Tee schmeckt immer schrecklich fies und sehr gesund. Ich quäle mich oft genug mit grünem Tee. Aber dieser hier schmeckt viel besser als der bei mir zu Hause.«
»Du nimmst vermutlich Teebeutel.«
»Natürlich.«
»Das hier ist loser Tee. Willst du jetzt schlafen?«
»Ja.«
Er nahm ihr den Teebecher aus den Händen und stellte ihn auf den Tisch, wickelte sie in die Decke, setzte sich auf die Sofakante. Sie zog sich die Decke unters Kinn, schloss die Augen, spürte seine Hand in ihren Haaren.
»Ich sehe doch bestimmt unmöglich aus«, jammerte sie.
»Du sollst jetzt schlafen. Schlaf jetzt.«
»Wo ist das Krokodil?«
»Hier. Schlaf jetzt. Ich schalte alle Lampen aus, nur nicht die in der Küche, für den Fall, dass du aufs Klo musst.«
»Ich weiß gar nicht, wo das Klo ist.«
»Die Tür mit einem großen rosa Herz darauf. Emma hat es gemacht.«
»Okay. Gute Nacht.«
Sie hörte seine Geräusche. Ein Hüsteln. Lichtschalter, die klickten. Sie machte die Augen nicht auf. Eine Tür, die geöffnet wurde, das Prasseln eines Urinstrahls, noch eine Tür wurde geschlossen, andere geöffnet und wieder geschlossen, sie schlug die Augen auf, setzte sich auf dem Sofa hoch und betrachtete ihren Oberschenkel, der blaue Fleck war jetzt verschwunden, sie legte sich wieder hin, mit dem Krokodil an ihrer Brust, und schlief ein.
82
Sie wachte auf und wusste nicht, wie spät es war, ihre Armbanduhr lag zu Hause, und der Akku ihres Handys war leer. Sie erwachte in einem Wohnzimmer, das ganz anders aussah als am Vorabend, das lag am Licht, jetzt kam von draußen Morgenlicht herein, quetschte sich durch die Fenster. Sie entdeckte, dass auf der behaglichen Decke ein dicker alter Kaugummi klebte, an der Stelle, wo im Schlaf ihre Wange geruht hatte, igitt, so war es also, Kinder zu haben, die Dreck machten und hinter sich nicht aufräumten. Das Krokodil roch nach alter Wolle, sie warf es weg, ihr war schlecht, ihr Unterleib tat weh, die Uhrzeit stand unten am Fernseher, neben dem Standbyknopf. 06.53. Sie wollte nicht aufs Klo gehen, dann würde sie jemanden wecken. Sie zog sich an, vorsichtig, alle Kleidungsstücke lagen auf dem Fußboden verstreut, da standen auch die Stöcke, die Zeichnung lag auf einer Kommode aus Kiefernholz, sie rollte sie rasch zusammen und verließ dann leise das Haus.
Es tat gut, über den Waldboden zu gehen, das Morgenlicht lag wie staubig vor Nebel über dem Fjord, eine Möwenschar zankte sich um etwas, das auf dem Wasser schwamm, auf der Straße waren schon die ersten Autos unterwegs.
Der Audi zwinkerte ihr vierstimmig zu. Sie warf die Stöcke und die Zeichnung auf die Rückbank, hier war sie zu Hause. Das verdammte, fiese Geräusch erschien ihr so früh am Morgen besonders laut, ihr begegneten drei Autos, als sie vom Parkplatz fuhr, überehrgeizige Statoilangestellte oder vielleicht Sekretärinnen, die mit dem ersten, frisch gebrühten Morgenkaffee brillieren wollten.
Sie schloss die
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