Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst
an. Normalerweise. Aber ich glaube vielleicht, dass sich auch mein Adrenalin gemeldet hat. Und vielleicht ein bisschen Serotonin. Und die Endorphine.«
»Ich verstehe kein Wort, wovon du da redest.«
»Ich bin eine Frau. So sind wir nun einmal. Und die Tatsache, dass ich mir plötzlich schreckliche Sorgen darüber mache, wie ich jetzt und hier aussehe, ist ein gutes Zeichen.«
»Du siehst wunderbar aus.«
»Kategorie ertrunkene Katze, nehme ich an. Und du denkst also die ganze Zeit an eine ertrunkene Katze?«
»Du musst dich nicht im Spiegel ansehen. Ich sehe, was ich sehe.«
»Wir sind zwei wildfremde Menschen.«
»Aber du bist hergekommen«, sagte er.
»Okay. Rück mehr Wein raus. Lass uns irgendwo anfangen. Emma hat mir erzählt, dass ihre Mutter bei der Geburt gestorben ist. Große Schadenersatzsumme und so.«
»Hat sie das wirklich erzählt? Dann mag sie dich leiden. In der Schule haben wir viel Ärger damit gehabt. Dass sie ihre Mutter ermordet hat und so.«
»Oh, verdammt.«
»Ja. Du musst etwas zu ihr gesagt haben, dass sie …«
»Ich habe gesagt, dass meine Eltern tot sind. Aber erst, nachdem sie das von ihrer Mutter gesagt hatte.«
»Kinder«, sagte er. »Die spüren so viel.«
»Hast du keine Musik?«
»Jede Menge. Jim Ford. Magst du Jim Ford?«
»Weiß eigentlich nicht sehr viel über den.«
»Du zitterst ja, du frierst, ich hole dir eine Decke und lege Ford ein.«
Die Decke roch nach Zucker und anderen Süßigkeiten, vermutlich wickelte sich Emma an Samstagnachmittagen darin ein, aß Süßigkeiten und durfte Kinderkanal sehen.
»Er war der beste Freund von Sly Stone und die Superinspiration für Nick Lowe. Viele haben seine Lieder gesungen. Aretha Franklin und Bobby Womack und die Temptations«, sagte er.
Er schenkte sich Rotwein und ihr Weißwein ein, ein Anflug von Normalität schlich sich in ihr Bewusstsein. Prima. Alles war in Ordnung. Jim Ford. Okay. Jetzt ging es hier um Jim Ford.
»Er hat ungeheure Drogenmengen konsumiert, und neunundsechzig ist er einfach verschwunden. Alle hielten ihn für tot. Aber ein schwedischer Journalist hat ihn vor zwei Jahren aufgespürt, nach vierzig Jahren!«
»Er war gar nicht tot?«
»Nein. Er wohnte in einem verdreckten kleinen Wohnwagen und arbeitete als Mechaniker für Peugeot, weil es so verdammt schwer war, in Kalifornien für Peugeots Ersatzteile zu kriegen. Im Wohnwagen lagen die Mastertapes herum. Der Schwede hat alles in die Hand genommen, um es kurz zu machen. Ein Riesenerfolg, als die CD erschien, das Geld strömte nur so herein, und drei Monate später war Ford tot, hatte sich zu Tode gesoffen und gefixt. The sounds of our time .«
»Jetzt erinnere ich mich wieder, ich habe davon gelesen. Ich glaube, Wandrup hat über ihn geschrieben. Du liebst Musik, oder?«
»Ich könnte ohne Musik nicht leben. Bob Dylan ist der Größte. Aber dann gibt es all diese anderen Jungs … Townes Van Zandt, Warren Zevon, Jim Ford, Levon Helm, Neil Young.«
»Ich liebe Alison Krauss.«
»Ha! Dann lege ich Levon Helm ein, den wirst du lieben, wenn du Krauss magst. Aber das Album, das sie mit Robert Plant gemacht hat …«
»Ist zu flach.«
Sie lachten gleichzeitig, sie erwiderte seinen Blick, sie hatten einander noch immer nicht berührt, abgesehen von dem Stupser ihrer Schulter, nach der Hunderettungsaktion, als sie gerade gehen wollten, aber Emma war noch nicht eingeschlafen, darauf warteten sie beide, zumindest sie tat es und er ganz bestimmt auch, denn er war Vater vom Scheitel bis zur Sohle.
»Willst du morgen wirklich blaumachen?«, fragte sie. Sie musste fliehen, vielleicht, wenn er aufs Klo ging. Und sich oben an der Hauptstraße ein Taxi nehmen.
»Levon Helm hatte Kehlkopfkrebs, dann ist seine Scheune mit seinem Tonstudio abgebrannt, und dann ist sein Bruder gestorben. Und danach hat er diese CD aufgenommen. Das zeigt mal wieder, was man schaffen kann, wenn man nur will. Wenn man es wirklich will.«
»Ich schaffe gar nichts. Aber das hier ist eine ungeheuer gemütliche Küche.«
»Die Kühlschranktür ist Emmas Galerie, wie du sehen kannst.«
»Ich hab einen einzigen Magneten an meiner Kühlschranktür. Eine Frau, die zurückgelehnt auf einem Sofa sitzt und dich ansieht. Und darunter steht Queen of fucking everything. Weiß nicht so recht, ob mir dieser Helm-Danko-Kehlkopfkrebs-Typ gefällt, das ist eigentlich eine CD , die man mehrmals hören muss und vermutlich etwas lauter.«
»Erst muss Emma schlafen. Hast du die Zeit
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