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Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Titel: Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B. Ragde
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hochkommen.«
    »Prima. Ich lass die Tür angelehnt.«
    »Du weinst ja.«
    »Ja, das tue ich. Kalle muss mich dann trösten.«
    »Ja, das kann er ziemlich gut. Ich schicke ihn dann rüber zu dir.«
    Sie lag im Bett, als er angestapft kam, sie hörte seinen Schwanz gegen die Schlafzimmertür schlagen, sie drehte sich zu ihm um, nahm den großen Kopf zwischen die Hände.
    »Dieses Scheißleben, Kalle. Du als Hund hast es gut.«
    Er sprang aufs Fußende. Sie konnte ihn mit einer Hand gerade erreichen, er seufzte zufrieden, als sie ihn streichelte. Warum nahm sie nicht ein paar Schlaftabletten, um für einige Stunden dem Ganzen zu entfliehen? Es war nur eine Abtreibung, nichts Schlimmeres als eine Abtreibung, sie hatte doch noch das ganze Leben vor sich.
    Ihr Handy piepste, eine Nachricht war gekommen. Vermutlich von der Autowerkstatt.
    Die Nachricht war von ihm. Er konnte es vor Sehnsucht nach ihr kaum noch aushalten. Heute Nacht ab drei nach zwölf würde auf P1 die Musikwunschsendung kommen, sie solle bitte einschalten und zuhören. Lange starrte sie auf das Display, las die Mitteilung immer wieder, streichelte Kalle und weinte und schlief schließlich ein.

95
    Es war dunkel, als sie aufwachte, Kalle war auf den Boden umgezogen und lag schnarchend auf der Seite. Sie lag vollständig angezogen im Bett und brauchte mehrere Sekunden, um sich an alles zu erinnern. Es war halb zehn. Sie hatte die SMS nicht beantwortet. Aber er konnte ja nicht wissen, ob sie nicht mit einem Klaviertalent aus Oppdal in Edinburgh war.
    Sie setzte sich langsam auf die Bettkante. Ihre Augen fühlten sich an, als wären sie voller Sand. Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare, die waren plattgelegen und stumpf, tot, ihr ganzer Körper war tot. Drei nach zwölf. Sie würde etwas essen, fernsehen, ihr fiel keine Musik ein, die sie jetzt gern gehört hätte. Kalle erhob sich und folgte ihr in die Küche, beobachtete jede ihrer Bewegungen.
    »Heute hab ich nichts Leckeres für dich, tut mir leid, hier ist alles leer, ich glaube, du solltest jetzt vielleicht nach Hause gehen, mein Lieber.«
    Torfinn öffnete ihr die Tür.
    »Geht’s dir jetzt besser?«
    »Ja. Hatte einfach nur einen Scheißtag.«
    »Du bist nicht rausgeworfen worden oder so? Einsparungen oder …«
    »Nicht doch, bei mir ist alles in Ordnung.«
    Auf TV 3 lief ein Film, aber sie behielt die Uhr im Auge, um zehn vor zwölf schaltete sie das Radio ein, trank Tee, saß ganz steif auf dem Sofa und hörte zu, plötzlich mit einer immer größer werdenden Angst, sie trank nicht, hielt die Teetasse nur in den Händen, bis die Wärme langsam verschwand.
    Um zehn vor halb eins kam es.
    Tom wolle mit diesem Stück Ingunn grüßen und ihr sagen, dass er auf sie warte, und er wünsche sich Fix You von Coldplay.
    Sie kniff die Augen zusammen. When you try your best but don’t succeed … Chris Martins Stimme erfüllte das ganze Wohnzimmer, ihren Kopf, ihr Leben, alles, was sie war. When you get what you want, but not what you need … Sie öffnete die Augen und starrte die Lautsprecher an, aus denen die Stimme kam, aus denen die Worte kamen, jedes einzelne davon. When you lose something you can’t replace. Er konnte nicht wissen, ob sie jetzt zuhörte. Aber woher wusste er das mit diesem Song? When you love someone, but it goes to waste, could it be worse?
    Lights will guide you home …
    Vorsichtig stellte sie die kalte Teetasse auf den Tisch.
    And I will try to fix you.
    Sie musste sich sehr anstrengen, um aufzustehen, aber es gelang ihr.

96
    Das Haus lag im Dunkeln. Sie hatte sich vom Taxi vor dem Statoilgebäude absetzen lassen, sie kannte die Adresse noch immer nicht.
    Sie blieb lange stehen und betrachtete das kleine Haus. Alle Sommerblumen waren verblüht und lehnten sich an die Wand oder aneinander. Die Briefkästen standen an ihrem Platz, die Fahrräder, unten glitzerte der Fjord, auf dem ein kleines Holzboot auf den nächtlichen Wellen dümpelte, sie wusste, welches sein Fenster war, ein kleines Fenster, das offen stand, sie ging vorsichtig näher, das Radio lief noch, aber hinter den Vorhängen war es ganz dunkel.
    Sie hob die Hand, sah sie an, das hier war ihre Hand, sie sah zu, wie die Hand vorsichtig an die Fensterscheibe klopfte. Nur Sekunden später wurden die Vorhänge zurückgezogen, und da stand er. Niemals würde sie das Leuchten in seinen Augen vergessen, als er erkannte, dass sie es war.

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