Die Liebesfalle
irgendeine weltweite Intrige von Mr. Stanhope verwickelt hatte. Hier spielte es keine Rolle, dass ihr Leben zerrissen war zwischen der hochgehaltenen Liebe zu einem Mann und der ungehörigen Begierde nach einem anderen. Hier konnte sie sie selbst sein. Hier wusste sie sogar, wer sie war.
Auf einen Wink von Brunella hin, drehte sie sich einmal um sich selbst, nahm die schwarze Baumwollsamtstola von den Schultern, um ihr blauweiß kariertes Madraskleid vorzuzeigen.
»Ouhlahlah.« Brunellas rauer Suffolkdialekt machte Hackfleisch aus der französischen Redewendung. »Sehr hübsch.« Ohne Unterbrechung drückte sie einem Kammerdiener ein Tablett in die Hand und schickte ihn nach oben.
Esther, die Köchin, ließ den Löffel fallen und eilte herbei, um Celeste zu umarmen. Das taten auch zwei der älteren Küchenhilfen und Arwydd, das Mädchen für den Destillierraum, das Konserven und Spirituosen herstellte, seit Celeste denken konnte. Alle riefen durcheinander und schwelgten mit ihr in Erinnerungen, bis Esther die Küchenhilfen wieder an die Arbeit schickte, bei Arwydd Himbeermarmelade für den Nachmittagsimbiss bestellte und auf den langen Tisch zeigte, der unter der Last des Dienstbotenfrühstücks ächzte. »Setz dich hin, Celeste, dann bekommst du was Richtiges zu essen«, lud sie ein. »Hier kommen mir keine Schnecken auf den Tisch!«
Celeste erwähnte nicht, dass sie erst neulich
escargots
verzehrt hatte und dass sie ihr geschmeckt hatten. Stattdessen sagte sie: »Danke. Das Frühstück riecht wunderbar.«
Große Makrelenpasteten standen über die Tafel verteilt. Aus Schüsseln voll Hafergrütze stieg der Dampf gekräuselt auf. Heller Rahm war in bunte Keramikgießer gefüllt. Knusprig braunes, dreieckiges Gebäck, gekrönt mit schmelzenden Butterflöckchen, die tröpfelnd eine goldene Pfütze bildeten, türmte sich auf einer Platte. Und wie ein scharlachroter Schandfleck stand genau in der Mitte eine Schüssel mit geschnittenen Erdbeeren, die nur darauf warteten, über die Hafergrütze oder das Teegebäck gelöffelt zu werden.
Celeste wandte ihre Augen ab. Aus Loyalität zum armen, lieben Ellery sollte sie keine mögen … aber sie mochte sie.
Mr. Throckmorton bekam keinen Ausschlag von Erdbeeren. Mr. Throckmorton war so hart gesotten, der würde wahrscheinlich auch Brennnesseln vertragen.
Das ganze Garten- und Stallpersonal setzte sich auf die Bänke, die um einen der beladenen Tische standen – die Stallburschen, die Unteren Gärtner, der Oberste Stallknecht an einem Tischende, und am anderen Celestes Vater mit frisch geschrubbtem, feuchtem Gesicht und nass zurück gekämmtem Haar. In den vergangenen vier Jahren hatte er einiges an Haar verloren und das was ihm geblieben war, war grau geworden, aber seine grobknochige Gestalt und sein langes, schlaffes Gesicht sahen größtenteils noch so aus, wie sie es in Erinnerung hatte. Doch er sprach langsamer und weniger; Celeste dachte, er sei in ihrer Abwesenheit einsam gewesen und ihr Blick suchte die Küche nach einer Frau ab, die genug Verstand hatte, ihn zu wollen und die Fähigkeit besaß, ihn einzufangen.
Ihr Blick blieb an Esther hängen. Esther, die der Küchenhilfe eine scheuerte, weil sie den Spieß zu langsam drehte, und gleichzeitig den aufgehenden Brotteig walkte. Esther wäre die Richtige, aber würden die Erinnerungen an Celestes Mutter, die die Küche beherrschten, dazwischen kommen?
»Guten Morgen, Vater.« Celeste kam an seine Seite und küsste ihn auf die Wange.
»'n Morgen, Tochter.« Er hielt sie kurz am Arm fest. »Schön, dich wieder hier zu haben.«
Sie küsste ihn noch einmal, bevor sie sich bei den Burschen bedankte, die aufgerückt waren, damit sie neben ihrem Vater sitzen konnte.
Sie nahm Platz und beobachtete das Treiben in der Küche mit nostalgischer Wertschätzung. Die Dienstboten von Blythe Hall mühten sich ab, um die Tabletts für die Aristokraten und die Armee von Zofen und Kammerdienern, die mit ihnen angereist war, fertigzustellen. Gleichzeitig musste Esther die Frühstücksvorbereitungen für die Angestellten in Blythe Hall überwachen und die weiteren Mahlzeiten des Tages planen.
»Da, Celeste, nimm dir ein Plätzchen.« Der zahnlose, alte Travis, der – obwohl er schon vor fünfzig Jahren hergekommen war – immer noch aus den Straßen Londons stammte, hielt ihr die Platte unter die Nase.
Sie lächelte ihn an und nahm eines. Dann reichten alle Männer Celeste Speisen und sahen ihr je nach Alter mit Zuneigung oder
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