Die Liebeshandlung
sie war die Maggie seines kantigen Brick in
Die Katze auf dem heißen Blechdach
. Für ihre erste Probe trafen sie sich in Dabneys Verbindungshaus. Kaum über die Schwelle des Haupteingangs getreten, verstärkte sich Madeleines Aversion gegen Studentenverbindungen wie Sigma Chi. Es war an einem Sonntagmorgen gegen zehn. Die Überreste der «Hawaii-Nacht» vom Vorabend waren noch zu sehen – der Blumenkranz, der unter dem Elchgeweih an der Wand baumelte, das zertrampelte Plastikbaströckchen auf dem biergetränkten Boden, ein Röckchen, das Madeleine, sollte sie dem unverschämt guten Aussehen von Dabney Carlisle erliegen, bestimmt noch einmal zu Gesicht bekommen würde, im Minimalfall unter dem Gebell der Verbindungsbrüder an einembeschwipsten Hula-Flittchen oder, im Maximalfall (wer weiß, was Mai Tai einen für verrückte Sachen machen ließ), oben in Dabneys Zimmer, zu seinem alleinigen Vergnügen, an sich selbst. Auf der niedrigen Couch fläzten sich zwei Sigma-Chi-Mitglieder und sahen fern. Als Madeleine auftauchte, kam Bewegung in sie, aus der Finsternis erhoben sie sich wie schnappende Karpfen. Schnell ging sie zur Hintertreppe und dachte wieder einmal, was sie immer dachte, wenn es um Verbindungen und Burschenschaften ging: dass deren Anziehungskraft auf einem primitiven Schutzbedürfnis beruhte (man fühlte sich an Neandertaler erinnert, Sippen, die sich gegen andere Sippen zusammenschlossen); dass die erniedrigenden Einführungsrituale, mit denen die Füchse schikaniert wurden (splitternackt und mit verbundenen Augen, das Fahrgeld für den Bus an die Genitalien geklebt, wurden sie in der Empfangshalle des Biltmore-Hotels zurückgelassen), genau die Männervergewaltigungs- und Kastrationsängste heraufbeschworen, vor denen eine Mitgliedschaft in der Verbindung schützen sollte; dass jeder junge Mann, der sich nach solchen Brüderschaften sehnte, an Unsicherheiten litt, die seine Beziehung zu Frauen vergiftete; dass homophobe Typen, die eine homoerotische Gemeinschaft zum Mittelpunkt ihres Lebens machten, einen ernsthaften Knacks haben mussten; dass die von Generationen Beitrag zahlender Verbindungsmitglieder unterhaltenen Herrenhäuser in Wirklichkeit Treffpunkte für inszenierte Vergewaltigungen und Saufgelage waren; dass es in Verbindungshäusern immer stank; dass man nie und nimmer dort duschen mochte; dass Mädchen höchstens im ersten Semester noch dumm genug waren, auf Verbindungspartys zu gehen; dass Kelly Traub mit einem Sigma-Delt-Schwachmatikus geschlafen hatte, der am laufenden Band «Jetzt siehst du es, jetzt siehst du’s nicht,jetzt siehst du es, jetzt siehst du’s nicht» sagte ; und dass ihr, Madeleine, so etwas Blödes nie passieren würde.
Was sie nicht erwartet hatte, wenn es um Verbindungen ging, war ein sonnenblonder, stiller Typ wie Dabney, der ohne Schuhe und in Fallschirmseidenhose auf einem Klappstuhl seine Textzeilen auswendig lernte. Im Rückblick kam es Madeleine vor, als hätte sie keine Wahl gehabt. Dabney und sie waren füreinander auserkoren wie ein königliches Hochzeitspaar. Sie war Prinz Charles und er Lady Di. Sie wusste, dass er kein guter Schauspieler war. Dabney hatte die Künstlerseele eines drittklassigen Footballers. Im wirklichen Leben bewegte er sich wenig und sagte nicht viel. Auf der Bühne bewegte er sich gar nicht, hatte aber viel zu sagen. Die besten dramatischen Momente erreichte er dann, wenn die Anstrengung, sich an seine Texte zu erinnern, sein Gesicht in ähnlicher Weise verzerrte wie die Emotion, die er gerade darstellen wollte.
Mit Dabney als Gegenüber Theater zu spielen machte Madeleine noch steifer und nervöser, als sie es ohnehin schon war. Sie hatte Lust, mit den quirligen Talenten im Workshop Szenen zu proben. Sie schlug interessante Stellen aus
Die Vietnamisierung von New Jersey
und Mamets
Sexual Perversity in Chicago
vor, fand aber keine Mitstreiter. Niemand wollte sich etwas vergeben, indem er mit ihr Theater spielte.
Dabney machte sich nichts daraus. «Lauter popelige kleine Scheißer hier», sagte er. «Die bekommen nie ein Hochglanzfoto und schon gar nichts beim Film.»
Er war lakonischer, als es ihr bei einem festen Freund lieb war. Er hatte den Esprit einer Schaufensterpuppe. Aber Dabneys physische Vollkommenheit vertrieb diese Realitäten aus ihrem Bewusstsein. Sie hatte nie eine Beziehung gehabt, in der sie nicht der attraktivere Partner gewesen wäre. Es waretwas beängstigend. Aber sie konnte damit umgehen. Um drei Uhr morgens,
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