Die Liebeshandlung
wenn Dabney schlafend neben ihr lag, kam sie der Sache bei, indem sie seinen Bauch, jede harte Muskelmasse inventarisierte. Sie setzte ihm gern einen Caliper an der Taille an, um sein Körperfett zu messen. Unterwäschemodeln erfordere Bauchmuskeltraining, sagte Dabney, und Bauchmuskeltraining erfordere Sit-ups und Diät. Dabneys Anblick bereitete Madeleine ein ähnliches Vergnügen, wie sie es als Mädchen beim Anblick geschmeidiger Jagdhunde empfunden hatte. Unterschwellig schwelte, glühenden Kohlen gleich, ein heftiges Bedürfnis, Dabney zu umschlingen, seine Stärke und Schönheit aufzusaugen. Es war alles sehr primitiv und evolutionär, und es fühlte sich phantastisch an. Das Problem war nur, dass Madeleine sich nicht erlauben konnte, Dabney einfach zu genießen oder ihn sogar ein bisschen auszunutzen, sondern sich mädchenhaft hineinsteigern und sich einreden musste, wie sehr sie in ihn verliebt war. Madeleine brauchte offenbar Gefühle. Sie missbilligte die Vorstellung von bedeutungslosem, höchst befriedigendem Sex.
Und so begann sie sich zu sagen, Dabneys Schauspielerei sei «beherrscht» oder «ökonomisch». Sie schätzte an ihm, dass er «selbstsicher» auftrat, «sich nichts beweisen» musste und kein «Angeber» war. Statt über seine Dummheit besorgt zu sein, beschloss sie, er sei zurückhaltend. Statt zu denken, er habe keine Ahnung, nannte sie ihn intuitiv. Sie überhöhte seine geistigen Fähigkeiten, um sich selbst nicht oberflächlich zu finden, weil sie ihn körperlich begehrte. Zu diesem Zweck half sie Dabney beim Schreiben seiner Hausarbeiten in Englisch oder Anthropologie – na schön, sie schrieb sie für ihn –, und wenn er glänzende Noten bekam, sah sie seine Intelligenz bestätigt. Sie schickte ihn mit Alles-Gute-Küsschen zu Model-Castings in New York und hörte sich später seinebitteren Klagen über die «Schwuchteln» an, die ihn nicht nehmen wollten. Es stellte sich heraus, dass Dabney
so
schön gar nicht war. Unter den wirklich Schönen war er nur so lala. Er konnte nicht mal richtig lächeln.
Am Ende des Semesters bat der Professor jeden Workshop-Teilnehmer zu einem resümierenden Gespräch. Churchill begrüßte Madeleine mit einem wölfisch gelben Grinsen, dann lehnte er sich, Hängebacken zeigend, bedächtig auf dem Stuhl zurück.
«Es war mir ein Vergnügen, Sie im Workshop dabeizuhaben, Madeleine», sagte er. «Aber Theater spielen können Sie nicht.»
«Tun Sie sich keinen Zwang an», sagte Madeleine ernüchtert, aber lachend. «Sagen Sie’s mir ins Gesicht.»
«Sie haben ein gutes Sprachgefühl, besonders für Shakespeare. Aber Ihre Stimme ist dünn, und auf der Bühne sehen Sie bekümmert aus. Auf Ihrer Stirn steht eine Dauerfalte. Ein Sprechtrainer könnte Sie stimmlich ein gutes Stück weiterbringen. Aber Ihre Sorgenfalte macht mir Sorgen. Schauen Sie, jetzt ist sie wieder da. Die Falte.»
«Denken nennt man das.»
«Ist ja auch gut so. Wenn Sie Eleanor Roosevelt spielen. Oder Golda Meir. Aber solche Rollen werden nicht oft angeboten.»
Churchill drückte die Fingerspitzen gegeneinander und fuhr fort: «Wenn ich angenommen hätte, dass die Sache Ihnen viel bedeutet, wäre ich wohl diplomatischer gewesen. Aber ich habe den Eindruck, Sie wollen nicht wirklich Schauspielerin werden, oder?»
«Nein», sagte Madeleine.
«Na also. Sie sind hübsch. Sie sind gescheit. Die Welt liegt Ihnen zu Füßen. Ich wünsche Ihnen das Beste.»
Als Dabney aus seiner Besprechung mit Churchill kam, wirkte er noch selbstzufriedener als sonst.
«Na?», fragte Madeleine. «Wie war’s?»
«Er sagt, ich bin perfekt für Soaps.»
«Werbesoaps?»
Dabney zog ein säuerliches Gesicht: «
Zeit der Sehnsucht. General Hospital.
Schon mal was davon gehört?»
«Hat er das als Kompliment gemeint?»
«Wie denn sonst? Soapdarsteller haben ausgesorgt! Die arbeiten jeden Tag, machen das große Geld und brauchen nicht zu reisen. Was für eine Zeitverschwendung, meine ganzen Versuche, Fotojobs zu bekommen. Scheiß drauf! Mein Agent soll lieber ein paar Vorsprechtermine für Soaps organisieren.»
Madeleine schwieg, als sie das hörte. Sie hatte geglaubt, Dabneys Begeisterung fürs Modeln sei vorübergehend, etwas zur Finanzierung der Studiengebühren oder so. Jetzt wurde ihr klar, dass er es ernst meinte. Sie war tatsächlich mit einem Model zusammen.
«Was denkst du gerade?», fragte Dabney sie.
«Nichts.»
«Na sag schon.»
«Nur eben … ich weiß nicht … aber ich
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