Die Liebeshandlung
sich einfach nicht. Ich kann den ganzen Tag lang sagen: ‹Springt!› Nichts passiert.»
Danach hatte Bankhead traurig ausgesehen und war augenblicklich distanziert gewesen. Er hatte sich verabschiedet und war gegangen.
Das Gespräch änderte Mitchells Einstellung zu Bankhead. Er konnte ihn nicht länger hassen. Der Teil von Mitchell, der sich über Bankheads Zusammenbruch gefreut hätte, war außer Betrieb. Während des ganzen Gesprächs erlebte Mitchell, wie so viele vor ihm, die ungemein befriedigende Zuwendung durch Bankheads verständnisvolle, umfassende Aufmerksamkeit. Mitchell spürte, dass er und Leonard Bankhead unter anderen Umständen die besten Freunde hätten werden können. Er verstand, weshalb Madeleine sich in ihn verliebt und weshalb sie ihn geheiratet hatte.
Darüber hinaus konnte Mitchell nicht umhin, Bankhead für das, was er getan hatte, zu respektieren. Es war möglich, dass er sich von seiner Depression erholen würde; ja, mit der Zeit war es mehr als wahrscheinlich. Bankhead war ein kluger Typ. Vielleicht kriegte er die Kurve. Aber welchen Erfolg er im Leben auch erreichen sollte, er würde ihm nicht leichtfallen. Sein Leben würde immer von seiner Krankheit überschattet bleiben. Davor hatte Bankhead Madeleine bewahren wollen. Er war weit davon entfernt, alles einzurenken, und er wollte es allein tun, mit minimalen Kollateralschäden.
Und so floss der Sommer dahin. Mitchell blieb bei denHannas und machte weiterhin lange Spaziergänge zum Meeting House der Quäker. Jedes Mal, wenn er andeutete, es sei Zeit für ihn zu gehen, bat Madeleine ihn, noch ein bisschen zu bleiben, und er blieb. Dean und Lillian verstanden nicht, weshalb er nicht sofort nach Hause zurückkehrte, doch ihre Erleichterung darüber, dass er nicht mehr in Indien war, ließ sie die Geduld aufbringen, noch etwas länger zu warten, bis sie ihn zu Gesicht bekamen.
Aus Juli wurde August, und Bankhead rief immer noch nicht an. An einem Wochenende kam Kelly Traub nach Prettybrook und brachte die Schlüssel zu Madeleines neuer Wohnung mit. Langsam, jeden Tag peu à peu, begann Madeleine die Sachen zu packen, die sie nach Manhattan mitnehmen wollte. In der heißen Speicherecke des Dachbodens, in Tennisröckchen und Bikini-Oberteil, suchte sie, Schultern und Rücken vor Schweiß glänzend, Möbel zum Verschicken aus und durchforstete Geschirrschränke nach Gläsern und Krimskrams. Aber sie aß kaum etwas. Sie hatte Weinanfälle. Sie wollte die Kette der Ereignisse wieder und wieder durchgehen, angefangen bei der Hochzeitsreise bis zur Party bei Schneider, als könnte sie irgendeinen Moment finden, in dem, hätte sie anders gehandelt, nichts von alldem passiert wäre. Die einzigen Augenblicke, in denen Madeleines Stimmung sich aufhellte, waren solche, in denen eine alte Freundin zu Besuch kam. Mit ihren Freundinnen – und je früher sie es geworden und je überdrehter sie waren, desto besser: Sie empfand eine enorme Zuneigung zu Mädchen mit Namen wie Weezie aus ihrer Highschool in Lawrenceville – schien Madeleine imstande, sich in ihre Jugend zurückzuversetzen. Mit diesen Freundinnen ging sie in der Stadt einkaufen. Verbrachte Stunden damit, Sachen anzuprobieren. Zu Hause lagen sie am Pool, sonnten sich und lasenZeitschriften, während Mitchell sich in den Schatten der Veranda zurückzog und sie von weitem voller Begehren und Widerwillen beobachtete, wie
er
es schon in der Highschool getan hatte. Manchmal, wenn ihnen langweilig wurde, versuchten Madeleine und ihre Freundinnen, Mitchell zu überreden, mit ihnen ins Wasser zu kommen, und er legte seinen Merton beiseite und stand am Rand des Pools, wobei er versuchte, nicht auf Madeleines durchs Wasser gleitenden, nahezu nackten Körper zu starren.
«Los, komm rein, Mitchell!», forderte sie ihn auf.
«Ich habe keine Badehose.»
«Zieh einfach Shorts an.»
«Ich hab was gegen Shorts.»
Dann fuhren die Lawrenceville-Mädchen wieder ab, und Madeleine wurde wieder intelligent, so einsam, unglücklich und in sich gekehrt wie eine Gouvernante. Sie kam zu Mitchell auf die Veranda zurück, wo die von der Sonne gewärmten Taschenbücher und Eiskaffee sie erwarteten.
Die Tage vergingen. Von Zeit zu Zeit machten Alton oder Phyllida einen Versuch, Madeleine zu einer Entscheidung zu bewegen. Aber sie hielt sie hin.
Der September rückte näher. Madeleine wählte ihre Seminare für das Wintersemester, eins über den Roman im achtzehnten Jahrhundert
(Pamela, Clarissa, Tristram
Weitere Kostenlose Bücher