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Die Liebeshandlung

Die Liebeshandlung

Titel: Die Liebeshandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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Kuratoriums und die rothaarigen, großkopferten letzten Abkömmlinge der Brown-Familie sowie diverse Vorstände und Dekane. Die Collegeabsolventen, zu zweit nebeneinander hergehend, strömten vom Wayland Arch über den Rasenplatz herbei. Die Parade bewegte sich entlang der University Hall in Richtung der Van Wickle Gates, wo Eltern – einschließlich Alton und Phyllida – sich erwartungsvoll drängten.
    Madeleine verfolgte den Marsch, wartete auf eine Lücke, um einen Satz nach vorn zu machen und sich einzureihen.Sie suchte die Gesichter nach jemandem ab, den sie kannte, ihrer Freundin Kelly Traub oder auch Lollie und Pookie Ames. Zugleich hielt sie sich aus Furcht, wieder Mitchell oder Abby und Olivia über den Weg zu laufen, ein wenig im Hintergrund, stand leicht in Deckung hinter einem dickbäuchigen Vater, der eine Videokamera schleppte.
    Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, auf welcher Seite die Quaste hängen musste, rechts oder links.
    Der Abschlussjahrgang zählte ungefähr zwölfhundert Studenten. Der Strom riss nicht ab, immer zwei nebeneinander, lächelnd und lachend, Siegerfäuste wurden geschüttelt, manchmal klatschten sich welche ab. Aber wer auch vorbeispülte, Madeleine hatte niemanden davon je gesehen. Nach vier Jahren am College kannte sie keinen Einzigen.
    Erst an die hundert Absolventen waren bisher vorbeigezogen, aber Madeleine wartete nicht auf den Rest. Das Gesicht, das sie sehen wollte, war ohnehin nicht darunter. Sie drehte sich um, ging durch den Faunce House Arch zurück und wandte sich auf der Waterman in Richtung Thayer Street. Eiligen Schritts, beinahe rennend, während sie mit einer Hand den Hut festhielt, erreichte sie die Ecke, wo der Verkehr ungehindert floss. Eine Minute später hielt sie ein Taxi an und sagte dem Fahrer, dass er sie zum Providence Hospital bringen solle.
    ***
    Sie hatten den Joint gerade fertig geraucht, als Bewegung in den Festzug kam.
    Eine halbe Stunde lang hatten Mitchell und Larry vorher im stürmischen Schatten des Wriston Quad gestanden, auf der Hälfte einer langen schwarzen Reihe graduierenderStudenten, die sich vom großen Rasenplatz über den ganzen Weg zum efeubewachsenen Torbogen hinter ihnen und noch weit auf die Thayer Street hinaus erstreckte. Die schmalen Gehsteige hielten die Reihe vor und hinter ihnen in Schach, aber auf der offenen Fläche des Quad schwoll sie an, wurde zu einer Party im Freien. Es wimmelte von Leuten, die herumliefen, sich bewegten.
    Mitchell bot mit seinem Körper Windschutz, sodass Larry den Joint anzünden konnte. Alle klagten, wie kalt es sei, traten von einem Fuß auf den anderen, um sich warm zu halten.
    Es gab viele Möglichkeiten, den Feierlichkeiten des Tages zu trotzen. Manche trugen ihre Kappen in komischen Winkeln. Andere hatten sie mit Stickern oder Farbe dekoriert. Die Mädchen bevorzugten Federboas oder Urlaubssonnenbrillen oder verspiegelte Ohrringe, wie Mini-Discokugeln. Mitchell äußerte die Überlegung, dass solche Zurschaustellungen von Ungehorsam bei Graduierungszeremonien gang und gäbe und darum genauso abgedroschen seien wie die Traditionen, die sie unterwandern sollten, bevor er den Joint von Larry übernahm und der Feierlichkeit des Tages auf seine eigene abgedroschene Weise trotzte.
    «Gaudeamus igitur»
, sagte er und nahm einen Zug.
    Wie ein von einer schwarzen Schlange verschlucktes Ei bahnte das Marschsignal sich, den Drehungen und Wendungen der versammelten Marschierer folgend, mittels einer beinahe unsichtbaren Peristaltik seinen Weg. Aber noch schien niemand sich in Bewegung zu setzen. Mitchell spähte wieder und wieder mit zusammengekniffenen Augen voraus, um etwas zu erkennen. Schließlich erreichte das Signal diejenigen, die unmittelbar vor Larry und Mitchell standen, und auf einmal schwappte die ganze Reihe vorwärts.
    Sie ließen den Joint hin und her wandern, rauchten ihn jetzt schneller.
    Mark Klemke, direkt vor ihnen, drehte sich mit zuckenden Augenbrauen um und sagte: «Ich bin nackt unter dieser Robe.»
    Viele Leute hatten Kameras mitgebracht. Werbespots hatten ihnen geraten, diesen Moment auf Film zu bannen, also legten sie los und bannten ihn auf Film.
    Es war möglich, sich anderen Leuten überlegen und zugleich als Fremdkörper zu fühlen.
    Schon im Kindergarten war man in einer Reihe aufgestellt worden, alphabetisch. Auf Viertklässlerausflügen fasste man sich paarweise an der Hand, um sich an dem Moschusochsen oder der Dampfturbine vorbeizudrängeln. Die Schul- und

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