Die Liebeshandlung
dran war er in Wirklichkeit für seinen Katechismusunterricht. Ohne dass jemand es wusste, klammheimlich, als ginge er Drogen kaufen oder in einen Massagesalon, besuchte Mitchell einmal in der Woche Pater Marucci, den Pfarrer von St. Mary, der katholischen Kirche am Ende der Monroe Street. Als Mitchell das erste Mal am Pfarrhaus klingelte und den Grund für sein Kommen nannte, hatte der stämmige Priester ihn misstrauisch angesehen. Mitchell erklärte, dass er vielleicht zum Katholizismus übertreten wolle. Er sprach von seinem Interesse an Thomas Merton, insbesondere dessen Schilderung seines eigenen Übertritts in
Der Berg der sieben Stufen
. Er sagte ungefähr das Gleiche, was er Professor Richter gesagt hatte. Aber entweder lag Pater Marucci nicht besonders viel an Konvertiten, oder er hatte schon genug von Mitchells Sorte gesehen, jedenfalls drängte er nicht sehr. Er hatte Mitchell etwas Lesestoff in die Hand gedrückt und ihm gesagt, er solle wiederkommen, dann könnten sie, wenn er wolle, weiterreden.
Pater Marucci war ein zweiter Edward Flanagan, direkt dem alten
Teufelskerle -Film
entsprungen, bärbeißig wie Spencer Tracy. Mitchell saß in seiner Amtsstube, eingeschüchtert von dem großen Kruzifix an der Wand und dem Herz-Jesu-Gemälde, das über dem Türbalken hing. Die altmodischen gusseisernen Heizkörper hatten filigrane Verzierungen. Die Möbel waren schwer und solide, die Zugringe an den Jalousien wie Rettungsringe in Miniatur.
Aus schmalen blauen Augen sah der Priester ihn prüfend an.
«Haben Sie die Bücher gelesen, die ich Ihnen mitgegeben habe?»
«Ja, habe ich.»
«Irgendwelche Fragen?»
«Was mich beschäftigt, ist eher eine Sorge als eine Frage.»
«Dann raus mit der Sprache.»
«Also, ich habe mir gedacht, wenn ich schon katholisch werden will, sollte ich auch in der Lage sein, die Vorschriften einzuhalten.»
«Keine schlechte Idee.»
«Mit den meisten Sachen komme ich zurecht. Aber ich bin unverheiratet. Ich bin erst zweiundzwanzig. Ich weiß nicht, wann ich heiraten werde. Vielleicht dauert es noch eine Weile. Deshalb ist die Vorschrift, die mir Sorgen macht, hauptsächlich die Sache mit dem vorehelichen Geschlechtsverkehr.»
«Leider kann man sich die Rosinen nicht herauspicken.»
«Das weiß ich.»
«Hören Sie, ein Mädchen ist keine Wassermelone, die man ansticht, um zu sehen, ob sie süß ist.»
Das gefiel Mitchell. Diese Art geradliniger spiritueller Rat war genau das, was er brauchte. Zugleich sah er nicht, wie die Keuschheit dadurch leichterfallen sollte.
«Überlegen Sie es sich», sagte Pater Marucci.
Draußen gingen gerade die Neonlichter von Greektown an. Ansonsten war das Zentrum von Detroit wie ausgestorben, nur dieses kleine, häuserblockweite Glimmen und auf der anderen Seite der Woodward Avenue ein Flutlichtspiel, das im Stadion der Tigers gerade begann. In der Brise des warmen Sommerabends roch Mitchell den Fluss. Er steckte die Katechismusbroschüre in seine Westentasche, ging zum Restaurant und machte sich an die Arbeit.
Die nächsten acht Stunden verbrachte er damit, Tische abzuräumen. Er half den Gästen beim Essen. Manche ließen ausgekaute Fleischstücke, Knorpel auf ihren Tellern liegen. Wenn Mitchell in einem Haufen Pilafi die Zahnspange eines Kindes fand, gab er sie, um Peinlichkeiten zu vermeiden, in einer Mitnehmschachtel zurück. Nachdem er die Tische sauber gemacht hatte, deckte er sie wieder ein. Einen für vier Personen konnte er in einem Rutsch abräumen, indem er die Teller aufgestapelt in den Armen wegtrug.
Frage:
Was bedeutet der Ausdruck «Fleisch», wenn
er sich auf den ganzen Menschen bezieht?
Antwort:
Auf den ganzen Menschen bezogen, bedeutet «Fleisch» den Menschen in seiner Schwäche und Sterblichkeit.
Geri, die Frau des Besitzers, beschlagnahmte gern eine der hinteren Nischen. Sie war eine dicke, ungeordnete Person, wie eine Kinderzeichnung, die nicht innerhalb der Linien blieb. Die Kellner versorgten sie mit einem steten Strom von Scotch und Soda. Geri begann ihre Abende fröhlich beschwipst, als erwartete sie Gesellschaft. Später wurde sie düster. Einmal sagte sie zu Mitchell: «Ich hätte nie einenGriechen heiraten sollen. Weißt du, wie die Griechen sind? Ich werd’s dir sagen. Wie die Araber. Kein Unterschied. Und du? Bist du Grieche?»
«Halb», sagte Mitchell.
«Du tust mir leid.»
Frage:
In welcher Gestalt werden die Toten auferstehen?
Antwort:
Die Toten werden mit ihren eigenen Körpern auferstehen.
Das
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