Die Liebeshandlung
Den besten. Wer ist das, deine Freundin?»
«Darf ich vorstellen: Madeleine.»
«Mögen Sie Käse, Fräulein? Hier, probieren Sie. Nehmen Sie sich welchen mit nach Hause. Und lassen Sie die Finger von diesem Kerl. Er taugt nichts.»
Eine weitere Enthüllung über Leonard: Er war mit dem alten italienischen Käser von Federal Hill befreundet. Vielleicht war er auf dem Weg zu ihm gewesen, wann immer Madeleine ihn im Regen auf den Bus hatte warten sehen. Um seinen Freund Vittorio zu besuchen.
Ende August packten sie ihre Sachen, ließen Kisten einlagern, verstauten den Rest im Kofferraum und auf dem Rücksitz des Saab und machten sich auf zum Cape. Es war heiß, über dreißig Grad, und sie fuhren die ganze Strecke aus Rhode Island hinaus mit offenem Verdeck. Aber der Wind machte es schwierig, zu reden oder Musik zu hören, und so klappten sie das Verdeck, als sie nach Massachusetts kamen, wieder zu. Madeleine hatte die Pure Prairie League eingelegt, die Leonard über sich ergehen ließ, bis sie an einer Tankstelle hielten, wo es einen Minimarkt gab und er eine Kassette mit den größten Hits von Led Zeppelin kaufte, die er den Rest des Weges über die Sagamore-Brücke bis auf die Halbinsel spielte. In Orleans, irgendwo am Straßenrand,machten sie Pause und aßen ein Hummersandwich. Leonard schien gut gelaunt zu sein. Aber als sie zwischen Virginiakiefern weiterfuhren, begann er, nervös seine Zigarillos zu rauchen und auf dem Beifahrersitz herumzurutschen. Es war ein Sonntag. Der meiste Verkehr strömte in die entgegengesetzte Richtung, Wochenendurlauber oder Sommergäste, die mit Autodächern voller Sportgeräte aufs Festland zurückfuhren. In Truro teilte sich der Highway 6, und jetzt war es der 6A, dem sie aufmerksam folgten, langsamer werdend, als der blaue Pilgrim Lake zu ihrer Rechten auftauchte. Kurz bevor der See zu Ende war, sahen sie den Wegweiser zum Pilgrim-Lake-Laboratorium und bogen auf einen Kiesweg ab, der zwischen Dünen zur Bucht führte.
«Wer hat mir die Spucke weggenommen?», sagte Leonard, als der Gebäudekomplex, in dem sie die nächsten neun Monate leben würden, ins Blickfeld kam. «Hast du meine Spucke? Ich finde sie gerade nicht.»
Bei der Stippvisite im Frühjahr war Madeleine zu sehr mit ihrer neuen Beziehung beschäftigt gewesen, um vom Laboratorium viel mehr als seine schöne Strandlage wahrzunehmen. Es war schon erstaunlich, wenn man bedachte, dass Koryphäen wie Watson und Crick hier, in der ehemaligen Walfangsiedlung, gearbeitet oder sich aufgehalten hatten, aber die meisten Namen der jetzt in Pilgrim Lake tätigen Biologen – einschließlich des gegenwärtigen Direktors David Malkiel – waren ihr neu. Das einzige Labor, das sie während jenes Besuchs von innen gesehen hatten, schien sich kaum von den Chemielabors der Lawrenceville High School zu unterscheiden.
Aber sobald sie in Pilgrim Lake waren und anfingen, dort zu leben, merkte Madeleine, wie falsch ihr erster Eindruck von diesem Ort gewesen war. Sie hatte nicht erwartet, dass essechs Tennishallenplätze, ein Fitnessstudio mit kompletter Nautilus-Ausstattung und einen Vorführraum geben würde, in dem an Wochenenden die neuesten Filme liefen. Sie hatte nicht erwartet, dass die Bar rund um die Uhr geöffnet oder morgens um drei voller Wissenschaftler wäre, die auf Testergebnisse warteten. Auch nicht die Limousinen, mit denen Vorstände der Pharmaindustrie und andere Berühmtheiten aus Logan anrollten, um mit Dr. Malkiel in seinem Privatsalon zu speisen. Und schon gar nicht hatte sie dieses
Essen
erwartet, die teuren französischen Weine und Brote und Olivenöle, allesamt handverlesen von Dr. Malkiel persönlich. Er, der hohe Summen für das Labor auftrieb, überhäufte damit die dort residierenden Wissenschaftler und lockte andere ins Haus. Es war Malkiel, der das Cy-Twombly-Gemälde im Speisesaal gekauft und den Richard Serra, der hinter dem Tierhaus stand, in Auftrag gegeben hatte.
Madeleine und Leonard kamen zur Zeit des Sommer-Genetikforums in Pilgrim Lake an. Leonard war verpflichtet, den berühmten «Hefekurs» unter Leitung des Biologen Bob Kilimnik zu besuchen, dessen Team er zugeordnet war. Jeden Morgen ging er wie ein ängstlicher Schuljunge los. Er klagte, sein Gehirn arbeite nicht richtig und die beiden anderen Forschungsstipendiaten in seinem Team, Vikram Jaitly und Carl Beller, die beide am M.I.T. studiert hatten, seien beschlagener als er. Aber der Kurs dauerte nur zwei Stunden. Der Rest des Tages
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