Die Liebeslist
ließ sich nicht leugnen. Andererseits wäre Rosamund auch nicht Rosamund, hätte sie sich durch kostbare Morgengaben überzeugen lassen.
„Und wenn es Verwundete gibt?“
„Sie hat den Fehdehandschuh hingeworfen.“ Gervase bemerkte sehr wohl, dass Hugh ihn zweifelnd anblickte und bekümmert den Mund schürzte. Er klopfte ihm auf den Arm. „Keine Sorge, alter Knabe. Die Damen werden verschont.“
„Ehrlich gesagt, mir gefällt das nicht.“
Begeistert war auch Gervase nicht. Gewiss, es sollte eine unblutige Besetzung werden, aber was, wenn Petronilla oder Rosamund trotz aller Vorsicht etwas passierte? Das würde er sich niemals verzeihen. Völlig ausschließen konnte man es jedenfalls nicht. Außerdem widerstrebte es ihm, das Leben seiner Leute unnötig aufs Spiel zu setzen. Wieso nahm diese Frau nicht einfach Vernunft an und streckte die Waffen?
Aber das hatte er alles schon hin und her überlegt. In schlaflosen Nächten, wenn er sich nach ihr verzehrte, verwünschte er sich und das Schlamassel, in das er sich verstrickt hatte. Zum Teufel mit dem König und seinem kaltschnäuzigen Ratschlag! Die ganze Sache behagte ihm überhaupt nicht.
Letzten Endes brachte er es nicht über sich. Mit versteinerter Miene gab er Befehl, das Lager abzubrechen. Die Belagerung wurde aufgegeben. Rosamund de Longspey hatte gewonnen. Und falls er deswegen vor einem ergrimmten König geradestehen musste, dann in Gottes Namen!
So gut es möglich war, glättete Petronilla das Pergament. Mit dem ausgefransten Rand und den zahlreichen Klecksen und Flecken sah es aus, als wäre es von einem größeren Dokument abgerissen worden und bereits unzählige Male gelesen. Der Inhalt war nicht sehr lang.
An Petronilla de Longspey, Dowager Countess of Salisbury
Nell,
zu meinem Bedauern werden wir durch unvorhersehbare Umstände getrennt. Ursprünglich hatte ich mir vorgenom men, mich nicht mehr fest zu binden, dachte ich doch, so et was gehöre sich nicht für einen Mann meines Alters. Als je mand, der eine erfüllte Ehe hinter sich hat, strebte ich nicht nach mehr. Dies schreibe ich Euch, weil Ihr womöglich mei nen könntet, ich ließe es an der rechten Einstellung Euch gegenüber fehlen.
Na, durchzuckte es Petronilla, das war ja ziemlich deutlich! Geschmeichelt fühlte sie sich gleichwohl.
Ich wollte Euch mitteilen, dass es mir arg zu schaffen macht, Euch nicht mehr um mich zu haben. Ich habe Eure Gesell schaft und unseren Meinungsaustausch sehr genossen, und ich vermisse unsere Reitausflüge am Fluss entlang. Ihr bringt mich zum Lachen; ich schaue Euch gern an. Jeder Tag, den ich fern von Euch verbringen muss, wird mir lang.
Petronilla schmunzelte. Sie sah ihn regelrecht vor sich, wie er dasaß und stirnrunzelnd an seinen Zeilen formulierte. Gewiss, blumig oder poetisch waren die Worte nicht, doch sie kamen von Herzen. Und zu ihrem eigenen Erstaunen ließen sie ihr eigenes Herz erheblich schneller schlagen.
Ich hoffe, dass wir uns in nächster Zeit einmal ausführlich und offen aussprechen können. Ich möchte Euch bitten, meine Frau zu werden. Ich biete Euch ein Heim und ein Leben mit allen Annehmlichkeiten. Ich werde Euch und Eure Wünsche nicht vernachlässigen. Ihr könnt versichert sein, dass ich Euch immer gut behandeln werde. Ich möchte mit Euch morgens aufwachen und jeden Abend mit Euch beim Nachtmahl sitzen. Ihr könnt mich auch gern auf meinen Reisen begleiten.
Mit vorzüglicher Wertschätzung
Hugh de Mortimer
Auf den ersten Blick ein schlicht aufgesetztes Schreiben von einem einfachen Markgrafen. Oder von einem Freund, der gern zusammen mit ihr alt werden wollte. Sicher war sie allerdings nicht. Seine schnörkellose Ausdrucksweise sprach sie sehr an. Zwar hatte er das Wörtchen Liebe nicht erwähnt, doch zwischen den Zeilen konnte man es deutlich herauslesen. Ob Hugh de Mortimer sie tatsächlich liebte?
Ja, bestimmt. Immerhin war er gewillt, sein komfortables, wohlgeordnetes Dasein aufzugeben und sich noch einmal zu verheiraten. Das ging doch nur, wenn man liebte!
Ein warmes, behagliches Gefühl breitete sich in ihrem Inneren aus. War es möglich? Wieso sollte sie auch der Liebe entsagen müssen, nur weil sie keine Erfahrung auf diesem Gebiet hatte? Bis jetzt, wohlgemerkt; bis zu dem Zeitpunkt, ab dem ein Hugh de Motimer ihr Denken viel zu sehr in Beschlag genommen hatte. Vielleicht war der Moment gekommen, an dem sie sich überwinden musste …Vorausgesetzt, Hugh hatte es sich bis zum Ende dieser vermaledeiten
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