Die Liebeslist
darf nicht …“
Die Stute stupste die weichen Nüstern gegen Rosamunds Schulter, als wolle sie ausdrücken, sie solle es sich doch noch einmal überlegen. Es hätte wahrlich nicht viel gefehlt. Er hatte sich an den Verlust ihres Pferdes beim Überfall erinnert und sich deshalb zu dieser außergewöhnlichen Geste entschlossen. Gervase Fitz Osbern wusste genau, womit ihr Herz zu erobern war. Auch wenn die Stute nicht so hübsch gewesen wäre, hätte man schon aus Stein sein müssen, um eine solche Aufmerksamkeit abzulehnen. Allein, sie durfte sich keine Schwäche erlauben, Geschenk hin oder her.
„Ach, was bist du für eine Schönheit …“, flüsterte sie mit Tränen in den Augen. Und plötzlich, ohne Rücksicht darauf, dass sie sich möglicherweise vor dem ganzen Gesinde blamierte, stürzte sie mit gerafften Röcken davon in Richtung des Palas, hemmungslos weinend. Ihrer Mutter, welche die kleine Szene ziemlich ungerührt verfolgt hatte, blieb es so überlassen, den Knappen mit einem herzlichen Gruß und mitsamt der Stute wieder seiner Wege zu schicken.
Die geschenkte Stute wurde Rosmund zum Verhängnis, denn jetzt stand sie vor einem schwierigen Dilemma, vor dem sie nicht länger die Augen verschließen konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt war es ihr allen Widrigkeiten zum Trotz gelungen, Fitz Osberns Werben eisern zu widerstehen und dafür seine männliche Sturheit vorzuschieben, seine Gerissenheit, die kaltschnäuzige Dreistigkeit, mit der er sich dem königlichen Befehl widersetzt und diese Belagerung angezettelt hatte. Und alles nur aus reiner Berechnung, um sie mit verlockenden Präsenten zur Übergabe ihrer Burg und ihrer Herrschaft zu veranlassen.
Nun aber war sie so aufgelöst wie seit dem Tod ihrer Stute nicht mehr. Anscheinend war ihm ihr Kummer über diesen Verlust noch im Gedächtnis haften geblieben, und deshalb hatte er ihr ein Pferd aus seiner eigenen Zucht geschenkt. Konnte es einen unberührt lassen, dass er in dieser aufmerksamen Weise an sie dachte? Trotzdem hatte sie ihm das Tier zurückgeschickt. War ihr Stolz da nicht gänzlich unangebracht? Sollte sie ihre ablehnende Haltung nicht einfach aufgeben und die Burgtore öffnen? War weiterer Widerstand unter diesen Umständen nicht schlichtweg eine vorsätzliche Torheit? Verzweifelt ballte sie ihre Hände zu Fäusten. Was hinderte sie eigentlich daran, das zu ergreifen, was sie sich im Grunde ihres Herzens am sehnlichsten auf der Welt wünschte?
Die Antwort, die ihr bei all diesen Fragen in den Sinn kam, war ernüchternd.
Woher will ich wissen, dass er mich nicht bloß zum Öffnen des Tors verleiten will? Anschließend bedankt sich der hochnäsige Kerl dafür, dass ich ihm seine Burg zurückgegeben habe, und jagt mich im gleichen Atemzug ungerührt fort! Ich kann mir einfach nicht sicher sein. Dafür war ich von Anfang an viel zu schwierig und starrsinnig. Das Wagnis darf ich nicht eingehen. Ich kann ja nicht einmal sagen, ob sein Heiratsantrag auch ernst gemeint ist!
Woher will ich wissen, dass er sein Herz ebenso ganz und gar verloren hat wie ich das meine? Von Liebe hat er doch kein Ster benswörtchen erwähnt, oder? Wer kann schon mit Gewissheit behaupten, dass Gervase überhaupt ein Herz zu verlieren hat?
Das düstere Bild trieb ihr gleich wieder die Tränen in die Augen.
Woher ich das weiß? Na, jedenfalls hat er mich so lieb, dass er mir diese kleine Stute mit dem seidenweichen Maul geschenkt hat!
Und schon brach sie tatsächlich in Tränen aus.
„So geht das nicht weiter, liebste Rose.“ Petronilla war, nachdem sie die Stute verabschiedet hatte, ihrer Tochter nachgeeilt. Nun nahm sie Rosamund tröstend bei den Händen. „Du wirst mir noch kreuzunglücklich!“
„Ja, ja!“ Rosamund wandte sich ab, beschämt über ihr verweintes Gesicht.
„Was soll denn nun werden?“
„Ich kann doch die Geschenke, den Heiratsantrag nicht so mir nichts, dir nichts annehmen …“
„Wieso denn nicht? Ich habe nicht den Eindruck, als wäre das eine Katastrophe ersten Ranges.“
Zähneknirschend ließ Rosamund den gutmütigen Humor ihrer Mutter über sich ergehen. Es hatte ja keinen Zweck, dem Gespräch auszuweichen. Die Countess, an sich eine sehr sanftmütige Natur, konnte ziemlich bestimmend werden. Da brauchte man sich nichts vorzumachen.
„Weil er mir nie eine Liebeserklärung gemacht hat. Deshalb nicht.“
„Ach! Und darauf kommt es an?“
„Was soll die Frage? Du weißt doch, wie das ist, wenn man ausweglos in einer lieblosen
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