Die Liebeslist
Nell?“ Hugh warf einen Blick hinüber zu den hungrigen Männern. Das Gemurre wurde immer lauter.
Die Countess winkte den Burgvogt herbei. „Master Pennard, ich halte es für das Beste, dass Ihr unverzüglich auftragen lasst. In Abwesenheit von Lord Gervase und Lady Rosamund wird Lord Hugh den Vorsitz übernehmen.“ An ihren Tischnachbarn gewandt, flüsterte sie: „Erst weinen und sich dann auflehnen. So wird es gemacht.“
Hugh lachte still in sich hinein. „Ach, so geht das?“, raunte er mit bewunderndem Blick.
Petronilla seufzte. „Ich will es schwer hoffen. Denn lange halte ich dieses Gezerre nicht mehr aus.“
13. KAPITEL
Gervase gestattete sich gerade mal ein herrisches Klopfen, war er doch fest entschlossen, die Situation nicht noch zu verschlimmern und zumindest die Form zu wahren. Auf ein „Herein“ wartete er allerdings nicht, sondern stieß die Tür gleich so schwungvoll auf, dass die Scharniere quietschten. Mit zwei Schritten stand er mitten in ihrem Gemach. Hier spürte man deutlich, wie er gleich feststellte, die Hand einer Frau – kein Vergleich mehr zu der heruntergekommenen, verdreckten Behausung, wie er sie noch von Sir Thomas de Bytons Zeiten her in Erinnerung hatte. Nein, alles wirkte verlockend behaglich: eine gepolsterte Sitzbank, die zum Verweilen einlud, ein mit Schnitzereien verzierter Lehnstuhl, an den Wänden warm und weich wirkende Teppiche, die vor Feuchtigkeit schützten und hässliche Nässeflecken verdeckten. Ein Feuerchen knisterte im Kamin, vor dem eine Katze döste, die jetzt allerdings den Kopf hob und den Eindringling mit glühenden Augen misstrauisch musterte. Die Fensterläden waren angesichts der fortgeschrittenen Abendstunde bereits geschlossen. Der Duft von Glühwein durchzog den Raum und rundete die gemütliche Atmosphäre ab.
Dann aber verlor er jeden Blick für diese Umgebung, und sein Wohlgefallen verflog schlagartig. Er schluckte krampfhaft.
Was hatte er erwartet? Tränen, ja, vielleicht. Auf jeden Fall Wut, gepaart mit der unbeugsamen Weigerung, Vernunft anzunehmen. Das alles hätte ihm nichts ausgemacht; er hätte sie trotzdem zurechtgewiesen und verlangt, dass sie sich beim Nachtmahl sehen ließ. Dass sie wenigstens nach außen hin so tat, als würde sie die Niederlage mit Fassung tragen.
Auf das, was ihn nun aber erwartete, war er nicht gefasst.
„Willkommen, Mylord.“
„Lady …“
„Ich wartete schon auf Euch.“
Wie erstarrt blieb er stehen, sprachlos, als habe man ihn soeben zu einem Zweikampf auf Leben und Tod herausgefordert. Dabei hatte er bestenfalls mit kühler Resignation, eher aber mit einer hitzigen Auseinandersetzung gerechnet. Nun aber bewegte Rosamund sich um ihn herum und schloss die Tür. Anmutig und schweigend ging sie danach zurück, trat an die Truhe, nahm den dort stehenden Krug und schenkte mit geschickten, kundigen Bewegungen Wein in zwei Becher ein.
Rosamund de Longspey hatte ihm anscheinend regelrecht aufgelauert!
Er konnte nicht glauben, was sich gerade vor ihm abspielte. So hatte er sie ja noch nie erlebt! In der gesamten Zeit ihrer Bekanntschaft nicht! Gewiss, häufig in schlichter Alltagskleidung bei der Hausarbeit oder vom Regen bis auf die Haut durchnässt, damals, als sie vor dem Tor kampiert hatte. Verdreckt und benommen nach dem Überfall der Waliser. Elegant gewandet beim Besuch des Königspaares. Fuchsteufelswild, eigensinnig, anmaßend oder auch mal in Tränen aufgelöst – jawohl, all das, zuweilen auch alles zusammen. Aber nie so wie jetzt.
Er zermarterte sich das Hirn nach einem Grund. Hinterhalt! Etwas anderes fiel ihm nicht ein. War das eine vorsätzliche Falle? Wie sollte man reagieren auf diese eigenartige Taktik? Letzten Endes verzichtete er jedoch auf eine Entscheidung, denn die war überflüssig. Sein Herz klopfte, das Blut pochte ihm in den Schläfen. Und angesichts des Schimmerns in ihrem Blick, angesichts des Schwungs ihrer Lippen meldete sich sein Körper auf unpassende, aber eindeutige Weise.
Rosamund stand vor ihm, den Becher in der Hand. Ihr seidenes Kleid, ein prächtiger, flüsterleichter Bliaut, der ihre weiblichen Rundungen betonte, fiel in unzähligen kleinen Falten bis auf den Boden. Daran aber lag es nicht, dass er wie vor den Kopf geschlagen war. Es war vielmehr ihr Gesicht, das ihn gefangen nahm. Er konnte nicht aufhören, es anzustarren, als wäre er ein argloser, unerfahrener Jungspund, der bezirzt und verführt werden sollte. Ein bleiches, makelloses Oval mit einer
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